Timos Gedanken

Von Buchhandlungen, Altersbegrenzungen und falschem Marketing

Reden wir heute mal über eine gefährliche Entwicklung in der Branche und beleben diese Seite endlich wieder.

In letzter Zeit fällt mir immer häufiger auf, dass in Buchhandlungen Bücher mit stark erotischen Inhalten in unmittelbarer Nähe von Jugendbuchbereichen platziert werden. Am liebsten würde ich den Buchhandlungen die Schuld dafür geben, aber so einfach ist das nicht. Denn auch die Verlage tragen eine erhebliche Verantwortung für diese Entwicklung. Die Jugendbuchverlage haben vor 2 oder 3 Jahren erkannt, wie erfolgreich LYX mit New Adult Romance war. Übrigens ist das kein neues Genre – es war schon damals, als LYX noch zu Egmont gehörte, in den Erotikabteilungen zu finden. Cora Carmack hat damals den Anfang gemacht.

Als LYX dieses Subgenre der Romance wieder aufgriff, haben sie es an eine sehr junge Zielgruppe vermarktet – die Zielgruppe, die normalerweise bei Verlagen wie Carlsen einkauft. So begann die Aufweichung der Grenzen im Jugendbuchbereich.

Die Jugendbuchverlage nahmen ähnliche Bücher in ihr Programm auf und vergaßen dabei völlig, dass dies eigentlich gar nicht ihre Zielgruppe ist. Mit dem Aufstieg von TikTok verwischten die Grenzen immer mehr. Einige Verlage hinkten dieser Entwicklung hinterher und beginnen erst jetzt, New-Adult-Stoffe zu veröffentlichen. Stichwort: Oetinger, bei denen gefühlt sowieso nichts funktioniert außer Panem oder Tintenwelt. Viele Verlage kaufen aus Unwissenheit Adult-Romance-Stoffe ein, mit Protagonist*innen um die 30. Diese Bücher werden hier als New Adult vermarktet und liegen teilweise sogar im Jugendbuchbereich – das ist einfach völlig falsch.

Man könnte nun denken, belesene Buchhändler*innen wären intelligenter und könnten die Warengruppen korrekt zuordnen. (Zur Klarstellung: Die Warengruppe 112 steht für Belletristik, nicht für Jugendbuch – das wäre Warengruppe 260.) Doch durch die Auflösung der Erotikabteilungen in vielen Buchhandlungen wird alles, was älter als BookTok ist, anders etikettiert. Thalia ist inzwischen sogar so weit, dass in nur fünf Metern Entfernung vom Jugendbuchbereich Dark Romance angeboten wird. Ich habe schon oft Jugendliche unter 16 Jahren gesehen, die ein Dark Romance-Buch kaufen wollten.

Erst gestern wieder: Ein 12- oder 13-jähriges Mädchen wollte ein Dark Romance-Buch aus dem Vajona Verlag kaufen. Ich war so frei und erklärte den Eltern, was ihr Kind da zu lesen versuchte. Am Ende verließ das Kind die Buchhandlung mit einem Jugendbuch ab 14 Jahren. Nicht optimal, aber immerhin besser.

Mit einer deutlichen Alterskennzeichnung durch Verlag und Buchhandlung wäre so etwas nicht passiert. Ein großes Problem ist, dass man inzwischen auch anhand des Covers das Alter der Zielgruppe kaum noch erkennen kann. Früher gab es klare Unterschiede, doch heute sieht vieles gleich aus.

Einige Verlage meinen auch, sie müssten mit KI-generierten Farbschnitten die Leser*innen anlocken. Früher waren es glitzernde Veredelungen und Märchenstil-Cover von Künstlern wie Alexander Kopainski oder Marie Graßhoff (zu Zeiten des Sternensand- und Drachenmondhypes), heute sind es gestaltete Buchschnitte. Gleichzeitig sparen die Verlage an allen Ecken, um kostengünstiger zu produzieren. Manche versuchen sogar, Übersetzungen und Cover von KIs erstellen zu lassen.

Vielleicht könnten Autorinnen einfach klar kommunizieren, ab welchem Alter ihre Bücher geeignet sind. Überraschung: Die Eltern tragen hier nicht die Schuld. Besonders dann nicht, wenn du als Erotikautorin (denn nichts anderes ist Dark Romance) wissentlich Minderjährige auf deinen Lesungen duldest. In diesem Fall liegt die Verantwortung bei dir als Autorin, diese Jugendlichen von der Veranstaltung auszuschließen und im Vorfeld eine klare Altersempfehlung für deine Lesung festzulegen.

Aber mal ehrlich: Wir brauchen dringend ein FSK-System für Bücher. Und im besten Fall sollte beim Buchkauf auch eine Ausweiskontrolle erfolgen.

Um etwas Positives zu erwähnen: Der Carlsen Verlag schreibt zumindest die Altersempfehlung in die Beschreibung. Das könnten sich auch andere Jugendbuchverlage zum Vorbild nehmen. Vielleicht sollten sie sich auch wieder auf ihr Kerngeschäft konzentrieren. Alternativ könnten sie ein eigenes Adult-Label gründen und dieses klar von den anderen Büchern abgrenzen. Ars Edition hat beispielsweise mit Enchanted ein spezielles Jugendbuchlabel ins Leben gerufen. Sie bringen die YA-Fantasy-Titel, die man eigentlich eher bei den großen Verlagen erwartet hätte.

Penguin hat es auf die Spitze getrieben. Früher hatte Randomhouse für alle seine Unterverlage eigene Social-Media-Kanäle. Heute gibt es nur noch einen Kanal für alle. Die Individualität der Jugendbuchverlage innerhalb der Gruppe ist verloren gegangen. Stattdessen dominieren nur noch New Adult Romance oder Dark Romance – eine sehr traurige Entwicklung.

Selbst die Frankfurter Buchmesse hat keine Ahnung von diesem Einheitsbrei. Warum auch? Sie hat sich nie ernsthaft mit der Materie auseinandergesetzt, sondern lieber marginalisierte Menschen verhöhnt, indem sie Rassisten auf die Messe eingeladen hat. Nein, liebe Buchmesse: Dark Romance ist kein New Adult und gehört auch nicht in dessen Nähe. Genres, die nicht als „literarisch genug“ galten, wurden vom Börsenverein belächelt und ignoriert. Jetzt, da diese Genres erfolgreich sind, weiß man nicht, wie man damit umgehen soll.

Mal ehrlich: Zu diesem Thema könnte ich mittlerweile Vorträge halten und Themenabende veranstalten. Aber es tut sich nichts. Die Branche muss endlich aktiv werden, anstatt die Verantwortung ständig weiterzuschieben.

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