Neu in eurer Lieblingsbuchhandlung liegt seit Freitag ein Buch, auf das ich mich seit Monaten gefreut habe. Es geht um den neuen Roman von Kathrin Weßling, „Nix passiert“.
Ihr zuvor veröffentlichter Titel „Super, und dir?“ habe ich ziemlich gefeiert, auch wenn ich an manchen Stellen etwas zwiegespalten war. Ich möchte hier auf beide Titel eingehen, weil ich sonst den Bogen nicht bekomme und der Text keinen Sinn ergibt.
Ein Super für „Super, und dir?“!
Marlene ist eine wahre Überfliegerin in allem was sie tut. Gerade erst hat sie ihren Traumjob bekommen, auch wenn sie zweifelt, denn immerhin hatte diese eine Kommilitonin viel bessere Voraussetzungen für die Stelle. Aber nun steht sie da und sollte glücklich sein. Ist sie aber nicht. Stück für Stück sieht der/die Leser*in die perfekte Fassade bröckeln. Marlenes Erfolg kommt nicht von Ungefähr und hinterlässt Spuren und Narben, die natürlich niemand sehen soll. Denn unsere Gesellschaft will Erfolge, geile Insta-Stories und das ohne die Schattenseiten des Ganzen.
Ich muss zugeben, dass ich Marlene lange Zeit nicht leiden konnte. Immer Leistung, immer 200% und natürlich auch immer Party und eine geile Zeit verbringen. Diesen Anschein machte es. Das „Gejammer“, wenn Marlene es doch nicht schaffte die Welt zu retten, fand ich unerträglich. Ich wusste, dass da noch was kommen würde und offen gestanden freute ich mich etwas darüber, dass dieser Schein zersplittern würde.
Aber als es kam, überrannte es mich! Da kam viel mehr Abgrund zutage, als ich erwartete und es schmerzte buchstäblich beim Lesen. Ab und an musste ich das Buch kurz zur Seite legen, durchatmen und erst dann weiterlesen.
Als ich es beendet hatte, wusste ich nicht so recht, welche Bilanz ich ziehen sollte. Da waren so viele Impressionen, so viel was in diesem Buch geschah, das ich noch nicht verdauen konnte.
Ein paar Tage danach war ich auf einer Lesung von Kathrin Weßling und als ich hörte und sah, wie sie diesen Text las und wie sich Marlene für Kathrin anhört, löste sich so ein bisschen der Knoten zwischen Marlene und mir. Meine anfängliche Abneigung gegen sie war verschwunden. Marlene ist zwar nicht meine Lieblingsprotagonistin (und ich möchte nicht mit ihr befreundet sein), aber ich hatte das Gefühl sie mehr zu verstehen.
Aber warum erzähle ich euch von Marlene?
Immerhin geht es im frisch gedruckten Roman von Kathrin Weßling um Alex.
Axt, Liebeskummer und Verzweiflung
Alexander (aber hier nur: Alex) hat Liebeskummer, denn Jenny ist weg. Sie hat Schluss gemacht. Er ist sich sicher, dass er nie wieder eine Bessere finden wird als sie. Was von ihr übrig ist ist Liebeskummer, der wie eine Faust im seinem Herzen steckt und alles kaputt macht. Alex droht vor die Hunde zu gehen, meldet sich auf der Arbeit krank und als seine Angst, sie irgendwo in Berlin treffen zu können, unermesslich wird kommt er auf eine Idee: er fährt zu seinen Eltern, in seine „Heimat“. Dabei ist dieses Kaff nicht klein genug um es „Dorf“ zu nennen, noch ist es groß genug um es als „Stadt“ bezeichnen zu können. In Braus (so der Name dieses Ortes) war er vor 10 Jahren das letzte Mal. Seine Abwesenheit und die Gründe, weshalb er so lange nicht mehr da war, holen ihn langsam ein: seine Eltern, sein Bruder, alte „Freund*innen“ und all die Erinnerungen…
Und was hat jetzt Marlene aus „Super, und dir?“ damit zu tun? Nichts. Dennoch: Obwohl ich ein gestandener Leser bin ist mir etwas passiert, was eigentlich nicht passieren sollte. Ich war nicht unbefangen, schon ab der ersten Seite nicht. Alex war für mich Marlene. Ich kann es mir auch nicht so hundertprozentig erklären, aber ich finde, dass Frau Weßling für Alex keine „eigene Sprache“ gefunden hat. Weßlings Schreibstil ist umgangssprachlich, ohne Schönrederei, unglaublich direkt. In dieser Manier geht sie auch mit den Themen (hier z. B.: Gesellschaftskritik, Liebeskummer, Beziehungen) um: sie nimmt eine Axt und haut damit zu, weil es keinen anderen Weg gibt.
Ich liebe das. Keine Frage. Aber Marlene war genauso und das hat mich etwas irritiert. Es fiel mir offen gestanden etwas leichter, als ich Alexander zu Alex (für Alexandra) gemacht habe. Keine Ahnung, ob ich das darf oder nicht — es passte für mich einfach besser (auch wenn einschlägige Szenen mich immer etwas aufschreckten). — Um aber keine Verwirrung zu stiften, ist er in diesem Text definitiv ein Er!
Auch Alex wird nicht zu meinem Lieblingsprotagonist, um ehrlich zu sein. An manchen Stellen war er mir etwas zu melancholisch-verklärt (auch wenn das natürlich auch dazu gehört…). Manchmal hätte ich Alex gerne mal geschüttelt, aber im Laufe der Geschichte erfährt man so einiges, was ihn die Jahre über geprägt hat und da muss man als Leser*in wieder hart schlucken.
Ich bin auch kein Leser, der sich in Romanen Stellen markiert, aber Frau Weßling hat es geschafft, dass ich mir doch die ein oder andere Zeile hervorgehoben habe, weil es einfach so treffend war!
Im direkten Vergleich zu „Super, und dir?“ muss ich gestehen, dass ich „Nix passiert“ nicht so brilliant fand, was nicht aussagen soll, dass ich nicht jede freie Minute damit verbracht habe erfahren zu wollen, wie es mit Alex weitergeht. Ich denke, es stecken da doch individuelle Gründe dahinter und vielleicht, weil mich Marlenes Geschichte doch mehr geschockt hat. Dennoch möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass ich Frau Weßlings „Mit der Axt durch das Eis“-Stil, um Liebeskummer eine Stimme zu geben, so viel erfrischender finde, auch wenn es diese sentimentalen/melancholischen Stellen gab.
Ich bin gespannt auf eure Meinung!
Als letzter Einschub: ich sehe diesen Text hier eher als kritische Auseinandersetzung mit meiner Leseefahrung, weniger als literaturkritische Rezension.
Ich bedanke mich ganz herzlich beim Ullstein Verlag zur Bereitstellung beider elektronischer Leseexemplare!
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