Auf meinem Instagramkanal habe ich euch schon den Roman „Haexed“ vorgestellt und heute ist die Blogtour auf meinem Instagramkanal zu Gast. Leider sprenge ich dort das Zeichenlimit mit meinem Beitrag über Casual Queerness. Let’s start.
Guten Morgen und herzlich willkommen zur Blogtour zu „Haexed“ von Murphy Malone.
Heute erzähle ich euch etwas über das Thema „Casual Queerness“. Der Beitrag wird etwas länger – ihr wisst ja, ich nutze Blogtouren gerne, um auch Sachthemen zu behandeln. Also, lasst uns direkt loslegen.
Casual Queerness bedeutet, dass queere Charaktere einfach da sind. Ihre Queerness steht nicht unbedingt im Fokus der Handlung, sondern sie wird als selbstverständlich dargestellt. Dies erhöht die Sichtbarkeit. Und genau diese Sichtbarkeit brauchen wir für alle Gruppen der queeren Community.
Ein Beispiel: Ein männlich gelesener Charakter bemerkt, dass ihm der Hintern eines anderen männlich gelesenen Charakters gefällt – und das war’s. Es wird nicht weiter thematisiert, es bleibt eine beiläufige Bemerkung. Das ist Casual Queerness.
In „Haexed“ sehen wir das bei den Freund*innen von Celeste und Blaze. Murphy Malone hat mir beim Loud and Proud Bookfestival erzählt, dass ihr Umfeld sehr queer ist. Für viele queere Menschen ist es normal zu sagen: „Ich habe keinen Freund, sondern eine Freundin.“ Und das ohne weiter darauf einzugehen. Hetero-Menschen tun das ja auch nicht – es wird einfach als normal angesehen, ohne dass jemand nachfragt.
Stellen wir uns vor, ich wäre ein Charakter in „Haexed“ und würde im VR-Awesome sitzen, einen Tee trinken und durch Grindr scrollen. Wenn Celeste das bemerkt und sagt: „Da sitzt ein Typ, der trinkt Tee und scrollt durch Grindr“, wäre das Casual Queerness. Es wird beiläufig erwähnt, dass ich queer bin, aber es wird keine große Sache daraus gemacht. Es spielt für die Handlung keine große Rolle. Es zeigt einfach queeres Leben ist unter uns.
Zu diesem Thema gab es in der Buchbranche eine große Diskussion, die eine Bestsellerautorin *hust Marah Woolf hust* einfach nicht verstanden hat. Sie hat ein Video gemacht und mitgeteilt, das sie ihre Verfilmung abgesagt hat, weil eben alles queer gemacht wurde für Netflix. Eben mehr Sichtbarkeit für marginalisierte Gruppen. Gerade Netflix macht das oft und baut Queerness in Serien und Filme ein. (später mehr dazu) Nicht unbedingt spielt das eine große Rolle in den Projekten, aber die Sichtbarkeit ist da. Gerade das müssen wir in Zukunft immer mehr erreichen. Viele nicht marginalisierte Autor*innen haben Angst queere Charaktere in ihre Geschichten einzuarbeiten und machen es dann gar nicht. Sie haben Angst etwas falsch zu machen und einen Shitstorm zu bekommen. In meinen Augen muss man diese Angst nehmen und zu mehr Sichtabrkeit ermuntern. Denn alle können über alles schreiben, solange sie es mit Respekt tun. Sollte man sich mal nicht sicher sein, kann man ja Menschen aus der Community fragen, ob sie drüberlesen würden. Minzgespinst bspw bietet Sensitive Reading an. Sprich man schaut nochmal in einem eigenen Textdurchgang, das keine problematische Repräsentation im Text ist.
Wenn wir über Casual Queerness sprechen, lohnt es sich, kurz einen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Früher war queere Repräsentation in Filmen, Serien und Büchern entweder gar nicht vorhanden oder sie wurde stark problematisiert. Queere Charaktere wurden oft nur über ihre Sexualität definiert, und wenn sie denn vorkamen, dann oft in Form von Klischees oder als tragische Figuren. Coming-Out-Geschichten waren fast immer mit Drama und Konflikten behaftet. Was heute an Casual Queerness so erfrischend ist: Queere Charaktere sind einfach da, ohne dass ihre Queerness ein Problem ist, das gelöst werden muss. Das ist ein enormer Schritt nach vorne. Casual Queerness zeigt, dass queere Menschen auch ohne Leidensgeschichte existieren und einfach Teil des Alltags sind – genauso wie alle anderen auch
Ein interessanter Punkt, der oft diskutiert wird, ist der Unterschied zwischen expliziter Queerness und Casual Queerness. Beide haben ihren Platz und beide sind wichtig. Während explizite Queerness oft genutzt wird, um wichtige Geschichten über queere Identität zu erzählen – zum Beispiel Coming-Out-Geschichten oder der Kampf gegen Diskriminierung –, zielt Casual Queerness darauf ab, queere Menschen als normalen Teil der Gesellschaft zu zeigen. Beide Ansätze ergänzen sich wunderbar. Es ist absolut wichtig, Geschichten zu erzählen, die queere Erfahrungen ins Zentrum stellen, aber genauso wichtig ist es, einfach zu zeigen, dass Queerness existiert, ohne dass sie immer im Mittelpunkt stehen muss. Die Balance aus beidem führt zu einer ganzheitlichen und vielfältigen Repräsentation.
Natürlich gibt es auch Kritik an Casual Queerness. Einige befürchten, dass diese Form der Darstellung die Herausforderungen und Kämpfe, denen queere Menschen in der realen Welt begegnen, unsichtbar macht. In einer Welt, in der Diskriminierung, Homophobie und Transphobie noch immer alltäglich sind, könnte es als problematisch angesehen werden, Queerness einfach nur nebenbei zu erwähnen, ohne den Schwierigkeiten, mit denen die queere Community konfrontiert ist, genügend Aufmerksamkeit zu schenken. Es ist daher wichtig, dass sowohl Casual Queerness als auch explizitere Darstellungen von queeren Lebensrealitäten ihren Platz in der Literatur und den Medien finden. Die eine Form der Repräsentation sollte die andere nicht ausschließen, sondern ergänzen.
Ein weiterer interessanter Aspekt ist, wie Casual Queerness in verschiedenen Kulturen dargestellt wird. Während wir in westlichen Ländern immer mehr queere Charaktere in alltäglichen Rollen sehen, ist das in anderen Teilen der Welt oft noch nicht der Fall. In einigen Ländern wird Queerness noch immer tabuisiert oder gar kriminalisiert, was dazu führt, dass queere Charaktere entweder gar nicht existieren oder sie stark zensiert werden. Es wäre spannend, sich anzuschauen, wie Casual Queerness auch in anderen Kulturen umgesetzt werden könnte und welche Herausforderungen dabei auftreten. Gerade in globalen Produktionen von Netflix und Co. zeigt sich, dass diese Art der Repräsentation langsam auf dem Vormarsch ist – auch in Ländern, in denen das Thema noch sensibler ist.
Und von Netflix habe ich Beispiele für euch. Auch wenn ich nicht viele Serien schaue.
Ein großartiges Beispiel für Casual Queerness ist die Serie „Heartstopper“. Diese Coming-of-Age-Geschichte zeigt, wie queere Identitäten ganz selbstverständlich in den Alltag der Charaktere eingebaut werden. Während die Serie teilweise explizit auf Themen wie Coming-out eingeht, gibt es viele Momente, in denen queere Beziehungen einfach als Teil der Handlung akzeptiert werden, ohne dass viel Aufhebens darum gemacht wird. Nick und Charlie, die Hauptcharaktere, entwickeln ihre Beziehung auf natürliche Weise, und ihre Queerness wird als normaler Teil ihrer Jugend dargestellt. Auch andere Charaktere, wie Elle und Tao, zeigen, wie unterschiedlich queere Identitäten in Freundschaftsgruppen gelebt und angenommen werden können, ohne dass immer ein großes Drama daraus entsteht.
Ein weiteres Beispiel ist „Brooklyn Nine-Nine“. Captain Holt ist schwul, aber das ist nicht das zentrale Thema seiner Figur. Er ist einfach ein brillanter Polizist und Vorgesetzter, dessen Queerness genauso selbstverständlich dargestellt wird wie alle anderen Aspekte seiner Persönlichkeit.
Solche Darstellungen tragen dazu bei, queere Identitäten im Mainstream zu normalisieren.
Für viele queere Menschen bedeutet das, sich in den Medien widergespiegelt zu sehen, ohne dass ihre Identität auf ein Klischee oder eine stereotype Darstellung reduziert wird. Es trägt dazu bei, dass queere Menschen sich als selbstverständlichen Teil der Gesellschaft sehen können, und fördert damit ein positives Selbstbild. Genau das ist es, was viele marginalisierte Gruppen brauchen: Repräsentation, die sie zeigt, ohne ständig erklären zu müssen, warum sie so sind, wie sie sind.
Murphy Malone hat das in Haexed einfach großartig umgesetzt. Es gibt auch Queerfeindlichkeit, aber eben viele viele tolle Momente in denen gezeigt wird. Queer sein ist einfach normal. Solltet ihr Haexed schon gelesen haben, gibt es jetzt noch ein paar Buchtipps für euch.
“Der Orden des geheimen Baumes”
von Samantha Shannon
In diesem epischen Fantasy-Roman sind mehrere Figuren queer, darunter Sabran und Ead. Ihre sexuelle Orientierung wird
normal betrachtet, ohne dass es große Konflikte oder Coming-out-Momente gibt. Die Queerness der Charaktere ist ein natürlicher Bestandteil der Welt, und der Fokus liegt auf den politischen und magischen Konflikten.
“Ich bin Gideon” von Tamsyn Muir
In dieser Sci-Fi/Fantasy-Geschichte sind die Hauptcharaktere, darunter Gideon und Harrow, queere Frauen, aber ihre Sexualität ist kein zentrales Thema der Handlung. Die Geschichte dreht sich um Nekromantie, Intrigen und Rätsel, wobei die Identitäten der Figuren nur beiläufig erwähnt werden. Die Queerness ist in der Handlung integriert, aber spielt keine dominante Rolle im Verlauf der Ereignisse.
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