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Lound and Proud Bookfestival 2025 – Interview mit Ian Raine

Wie kam dir die Idee zu „Save my Drowning Dreams“? War zuerst Amélie da, das Kino oder Adair?


Ich glaube, Amélie und das Kino kamen Hand in Hand mit einer ganz zentralen Figur: Amélies Vater. Ich hatte dieses Bild im Kopf von einer trauernden Tochter, die das Erbe ihres Vaters bewahren möchte. Und Amélies Vater, einem Eigenbrötler, der seine Familie über alles liebt und sich manchmal zu sehr in den Träumen verliert, die er unermüdlich jagt. Die Geschichte, die daraus entstanden ist, hat sich über die letzten zwei Jahre weiterentwickelt. Das ist auch der Grund, weswegen Adair als allerletztes entstanden ist, denn Adair war für fast den kompletten Erstentwurf ein grundauf anderer Charakter, mit ganz anderem Background, Problemen und Ambitionen – und sogar einem anderen Namen.

Wenn du Amélie in drei Worten beschreiben müsstest, welche wären das?

Leidenschaftlich – Verträumt (im besten Sinne) – Familienmensch.

Adair scheint das komplette Gegenteil von ihr zu sein. Was hat dich an dieser Dynamik gereizt?

Natürlich fliegen anfangs die Funken, aber ich glaube, Amélie und Adair müssen auch einfach erst realisieren, dass sie im Inneren gar nicht so gegensätzlich sind, wie sie vermuten. Grundsätzlich reizt mich aber an solch gegensätzlichen Dynamiken die Möglichkeiten, die das in der Charakterentwicklung eröffnet – immerhin hilft vielleicht genau der gegensätzliche Blickwinkel, um Dinge in ein ganz neues Licht zu rücken.

Das kleine Kino wirkt fast wie eine eigene Figur im Roman. Gibt es einen Ort in deinem Leben, der für dich ähnlich viel bedeutet?

Ich glaube, das Kino ist, aus meiner Perspektive, viel weniger eine eigene Figur als ein Spiegel, für die Figuren im Roman. Der Name bedeutet übersetzt „Palast der Träume“, und so ist das Kino auch zu einem Ort geworden, in dem Träume sich entwickeln, in dem Emotionen gefühlt und verarbeitet werden dürfen. So einen Ort habe ich in meinem Leben aktuell nicht, aber ich versuche mir meinen eigenen, kleinen „Palast der Träume“ zu bauen, der mich auf Schritt und Tritt begleitet – in mir.

In der Geschichte geht es um Trauer, Nähe und zweite Chancen. Welche Szene hat dich beim Schreiben emotional am meisten berührt?

Am meisten berührt hat mich, denke ich, der Moment, in dem die Leser*innen gemeinsam mit Adair den Moment seiner Nahtoderfahrung wieder besuchen, und herausfinden, was wirklich geschehen ist. Auch ein sehr emotionaler Moment ist für mich der Epilog – so oder so, bin ich sehr gespannt wie die Leser*innen auf diese Momente reagieren werden.

Wenn dein Roman verfilmt würde, welcher Song müsste auf jeden Fall im Soundtrack sein?

Auf jeden Fall La Foulé von der legendären Edith Piaf! Amélie verbindet das Lied stark mit ihrem verstorbenen Vater, und ganz davon unabhängig, passt die Mischung aus melancholischer Stimmung und beschwingter Musik perfekt zur Handlung. Immer wenn ich das Lied höre, sehe ich Amélie und ihre Familie gemeinsam dazu tanzen.

BookTok oder Bookstagram lieben intensive, emotionale Stories. Wie findest du es, wenn Leser*innen deine Figuren auseinandernehmen oder feiern?

Ich glaube, wie jede*r Autor*in finde ich es toll, wenn Leser*innen mit meinen Figuren interagieren. Immerhin bewegen meine Charaktere ganz echte Probleme, egal wie fiktiv die Geschichte ist. Und es ist immer schön zu sehen, wenn Leser*innen emotional abgeholt werden. (Und ja, auch ich möchte manche Figuren manchmal einfach nur Boxen)

Welche Figur würdest du selbst gerne mal im echten Leben treffen und warum?

Wahrscheinlich Amélies Maman, weil ich sie sehr bewundere. Sie ist eine wunderbare Persönlichkeit, die viele schöne und traurige Dinge erleben durfte, die stark und elegant ist, aber auch sehr verletzlich. Sie beginnt im Hintergrund ihre eigene Reise. Es hat mir sehr viel Spaß bereitet, ihren Charakter und ihre Beziehung zu Amélie zu schreiben.

Was wünschst du dir, was Leser*innen fühlen, wenn sie das Buch zuschlagen?

Ich vermute, sie werden ein wenig traurig sein – warum genau, verrate ich natürlich nicht. Aber hoffentlich auch gemischt mit ganz viel bittersüßer Hoffnung und Optimismus. Wer mein Debüt gelesen hat, hat vielleicht schon eine Ahnung, dass ich nur ungern perfekt geglättete Happy Ends schreibe. Aber keine Sorge: Es gibt ein Happy End, auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht gar nicht so aussehen mag.

Wie queer ist dein neues Buch?

Ich tue mir sehr schwer damit, Queerness zu leveln – das möchte ich nicht. Was ich jedoch sagen kann, ist Folgendes: Es gibt mehrere queere Charaktere – z. B. ist Adair bisexuell, kleidet sich auch mal androgyner, hat bereits Männer gedatet und verliebt sich in Amélie. Mir war es wichtig, auch mal queere Personen in Straight-passing-Relationships zu repräsentieren, immerhin wird ihnen oft von der Welt ihre Queerness abgesprochen.

In welchem Kinofilm bist du zuletzt gewesen?

Tatsächlich in Marvel’s Thunderbolts, der mich sehr positiv überrascht hat, und neben einer humorvollen Anti-Held*innentruppe mit einer erstaunlich emotionalen Repräsentation von Depressionen und Mental Health-Themen aufwartet. Ist also definitiv eine Empfehlung, wenn man auf Action mit Humor und trotzdem einer emotionalen Botschaft steht.

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Loud and Proud Bookfestival 2025 – Interview mit Alicia Zett

Was war der allererste Funke der Idee für Camp Rainbow? Erinnerst du dich noch daran?

Tatsächlich wollte ich schon lange über ein Camp schreiben, weil ich das Setting an sich sehr gerne mag. Ich selbst habe früher Kirchen Camps besucht und es geliebt, am Lagerfeuer zu sitzen, in der Natur zu sein und nur von Gleichaltrigen umgeben zu sein. In meinem Camp kommt dann natürlich noch der queere Aspekt hinzu. Bedeutet: Jede Person darf sie selbst sein und muss keine Angst vor Queerfeindlichkeit haben.

Wenn du selbst eine Woche im Camp verbringen dürftest, was wäre deine Lieblingsaktivität?

Oh, ich könnte mich nur schwer zwischen all den AGs entscheiden. Aber vermutlich würde ich Flo zum Bouldern begleiten und mit im Orchester spielen (wenn meine Klarinetten Skills dafür noch gut genug sind.

Gibt es eine Figur, in der besonders viel von dir selbst steckt?

Ja, die gibt es. Lila. Aber die lernt ihr alle erst so richtig in Band zwei kennen, deshalb verrate ich hier nicht zu viel über sie

Gab es beim Schreiben eine Szene, die dir besonders leicht oder schwer gefallen ist?

Ich habe die Szenen geliebt, in denen Malin so richtig schön tollpatschig war. Die Einhornunterhosen Szene zum Beispiel, oder der Spaziergang mit Flynn um den See herum. Die Szenen mit Nora habe ich allesamt sehr gerne geschrieben, aber ich glaube, meine liebste war die letzte. Also das Kapitel, in dem Malin wieder zu Hause ist und auf Lila trifft. Schwer gefallen ist mir hingegen der Anfang. Weil ich das Buch geschrieben habe, während es mir selbst nicht so gut ging und es super locker und leicht werden sollte. Diese Diskrepanz war schwer, aber ich habe es geschafft – hoffe ich 

Welche Musik hast du beim Schreiben von Camp Rainbow gehört?

Die Playlist findet sich vorne im Buch, aber tatsächlich habe ich beim Schreiben kaum Musik gehört und wenn doch, dann Klaviermusik ohne Gesang, weil mich das meist zu sehr ablenkt.

Was würdest du den Camp-Bewohner*innen mit auf den Weg geben, wenn du ihnen real begegnen könntest?

Ich würde ihnen sagen, dass sie die Zeit dort unbedingt genießen sollen. Die Sommer gehen viel zu schnell vorbei und dann sind sie erwachsen und können das Camp höchstens noch als Betreuungspersonen besuchen

Gab es beim Schreiben einen Überraschungsmoment, der dich selbst emotional gepackt hat?

Ja, das Ende mit Lila. Das war in dieser Intensität nicht geplant und ich musste weinen, als ich es geschrieben habe.

Wenn du Camp Rainbow mit drei Hashtags beschreiben müsstest, welche wären das?

#Queerjoy #friendship #campvibes

Stell dir vor, dein Buch wird verfilmt. Welche Schauspieler*innen würdest du gerne in den Hauptrollen sehen?

Oh, bei solchen Fragen bin ich immer planlos. Ich bin so schlecht darin, mir Namen zu merken. Mir wäre nur wichtig, dass die Figuren ungefähr gleichalt sind und verstehen, wie sich die Figuren fühlen. Die eine perfekte Besetzung für Malin habe ich nicht, aber vielleicht ja jemand in den Kommentaren?

    Was wünschst du dir, was Leser*innen aus Camp Rainbow mitnehmen

    Camp Rainbow soll Spaß machen, es soll einen mit offenen Armen empfangen und durch einen bunten Sommer tragen, den viele von uns sich früher immer gewünscht, aber nie erlebt haben. Wenn ich das erreiche, dann bin ich zufrieden 

    Welche Bedeutung hat queere Sichtbarkeit für dich persönlich und wie spiegelt sich das in Camp Rainbow wider

    Queere Sichtbarkeit bedeutet mir alles. Das klingt jetzt vielleicht hochtrabend, aber jedes einzelne Mal, wenn ich über queere Figuren lese, diese in Serien oder Filmen, oder auch im echten Leben auf der Straße sehe, dann blüht etwas in mir auf. Ich fühle mich nicht mehr allein. Ich fühle mich verstanden und zugehörig und weniger seltsam. Das ist etwas, das ich heterosexuellen cis Menschen immer wieder zu erklären versuche und das mir doch so schwer gelingt. Weil Gefühle zu beschreiben etwas anderes ist, als sie leibhaftig zu erleben. Wir alle verdienen Sichtbarkeit und, dass ich dazu beitragen darf, ist für mich das größte Privileg.

    Gab es Reaktionen von queeren Leser*innen, die dich besonders berührt oder motiviert haben?

    Jede einzelne Nachricht berührt mich, aber persönliche Begegnungen auf Lesungen sind immer noch einmal etwas ganz Besonderes. Da waren Menschen, die haben das Camp Shirt selbst designt und es während der Lesung getragen. Andere haben mir erzählt, wie sehr ich ihr inneres Kind mit diesem Buch geheilt habe. Wieder andere haben Malin gezeichnet, weil sie sich in ihr selbst wiedergefunden haben. All diese Momente sind es, die ich als Autorin unendlich schätze. Weil ich diese Geschichten genau deswegen schreibe

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      Loud and Proud Bookfestival 2025 – Interview mit Ava Reid

      Was brachte dich auf die Idee zu „The Fable for the End of the world?

      Es war ein Sammelsurium von Dingen! Ich wollte eine Hommage an die Hungerspiele und die anderen dystopischen Jugendromane schreiben, die ich als Teenager gelesen habe – das war der Grund, warum ich Autorin werden wollte. Ich interessierte mich besonders für das Leben der Karrieretribute in den Hungerspielen und dafür, wie ihre Erziehung als gehirngewaschene Kindersoldaten ausgesehen haben muss. Dies wurde zur Hauptinspiration für Melinoës Charakter.

      Auch viele persönliche Erfahrungen haben die Welt von New Amsterdam inspiriert, darunter meine eigene Kindheit in New York, die Erzählungen meines Vaters über das Aufwachsen in einem winzigen Bergdorf und der Hurrikan, der die Ostküste verwüstete, als ich auf der High School war. Erdrückende medizinische Schulden und extreme Einkommensungleichheit sind in Amerika so normal, dass es nicht schwer war, sich eine Zukunft vorzustellen, in der sie ihr extremes, unvermeidliches Ende gefunden haben.

      Welcher Trope ist dein Lieblingstrope?

      Enemies-to-lovers, natürlich!

      Was bedeutet für dich queere Sichtbarkeit in einem Genre, das lange Zeit von heteronormativen Normen geprägt war?

      Ich gehe an meine Bücher nicht mit einer Checkliste für die Darstellung oder mit der Absicht heran, die Menschlichkeit queerer Menschen zu beweisen – ich schreibe einfach Geschichten, die sich für mich sinnvoll anfühlen. Ich hoffe, dass sie sich auch für andere sinnvoll anfühlen, insbesondere für andere queere Menschen, aber letztendlich kann ich nicht kontrollieren, was die Leser in die Hand nehmen oder was sie aus meiner Arbeit mitnehmen. Queerness ist ein Teil meiner Arbeit, so wie jedes andere Element auch; andere literarische Techniken oder Motive oder Themen haben nur das Privileg, nicht politisiert zu werden.

      Ist Sprache für dich auch ein queerer Raum, in dem du dich selbst (wieder)entdecken kannst?

      Für mich ist der Stil untrennbar mit dem Inhalt verbunden, was im Zeitalter des tropischen und KI-gestützten Schreibens eine recht unpopuläre Auffassung ist. Ich wünschte, Autoren und Leser würden sich mehr Gedanken über die Sprache machen und die Ernsthaftigkeit schätzen, mit der man sich einem Stil verschreibt. Leider regieren Ironie und Respektlosigkeit den Tag. Mein sprachlicher Ansatz ist also durchaus seltsam im Sinne von unorthodox im gegenwärtigen literarischen Moment.

      Was bedeutet es, im aktuellen politischen Klima Geschichten zu erzählen, die queer sind?

      Ich versuche, nicht darüber nachzudenken, wie meine Bücher aufgenommen werden, denn das ist Gift für die Kunst. Natürlich bin ich mir bewusst, dass Fable der Zensur und dem Verbot von Büchern ausgesetzt sein wird, aber ich weigere mich, dem Faschismus noch mehr von meinem Kopf oder meinem Prozess zu überlassen. Ich bin der Meinung, dass Verleger weiterhin ehrliche, menschliche Bücher veröffentlichen sollten, unabhängig vom politischen Klima, und wenn die Gatekeeper der Branche zu viel Angst davor haben, müssen sie zur Seite treten und Platz für mutigere Leute machen.

      Wenn du die Welt deines Buches mit einem einzigen Taylor-Swift-Song unterlegen müsstest, welcher wäre es und warum?

      “ivy,” “my tears ricochet,” or “The Great War.” 
      Wer ist dein großes Vorbild?

      Wolf Glicke

      Wenn du dein Leben mit Taylor Swift Eras vergleichen müsstest, in welcher Era befindest du dich gerade?

      Ich befinde mich in meiner Lover Era, aber nächstes Jahr wird sicher meine Reputation Era sein.

      Was liest du momentan?

      Allison Safts Buch, „Immortal Game“ . Es handelt von einer Schachgroßmeisterin, die an einem vom König des Feenreichs veranstalteten Schachwettbewerb teilnehmen muss, um ihre Schwester zu retten. Es ist genauso phänomenal wie alle ihre Bücher, und ich kann es kaum erwarten, dass es im nächsten Frühjahr in die Welt hinauzieht!

      Wenn du einer jungen queeren Person, die heute schreibt und sich vielleicht unsicher fühlt, etwas mitgeben könntest, was wäre das?

      Du wirst niemals scheitern, wenn du schreibst, was für dich ehrlich und wahr ist. Schreibt über den Schmerz, die Verwirrung, die Tragödie, den Aufruhr. Schreibt über das Schwierige und das Unbequeme.

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      Loud and Proud Bookfestival – Interview mit Yael van der Wouden

      WAS HAT DICH DAZU INSPIRIERT DIE HANDLUNG AN EINEM – FAST CLAUSTROPHOBISCH WIRKENDEN ORT SPIELEN ZU LASSEN? WELCHE ROLLE SPIELT DAS HAUS FÜR ISABEL UND EVA- IST ES NUR EIN SETTING, ODER MEHR EIN SPIEGEL IHRER INNEREN KONFLIKTE?

      Ich liebe einen guten „Haus-Roman“. Einige meiner liebsten modernen Klassiker – Forsters „Howards End“, Austen „Stolz und Vorurteil“ – sind eben solche „Haus-Romane“. Ein Haus wird geöffnet – wer zieht ein? Eine Frau stirbt und vererbt ihr Haus an eine Frau einer anderen gesellschaftlichen Klasse, was passiert? Die Frage wer nach „drinnen“ und wer nach „draußen“ gehört, sind jeder Geschichte einverleibt – denke ich. Wer hatte noch einmal gesagt, dass jede Geschichte entweder davon handelt, wie ein Fremder ins Dorf kommt, oder jemand das Dorf verlässt? Es ist die Idee Insider gegen Outsider, die gerade in Häusern so verlockend wirkt, da Häuser klar ein „Innen“ und ein „Außen“ abgrenzen. So werden die dumpfen Fragen nach Kultur und Identität in einem physischen Rahmen einfach erlebbar. Da sind die Wände – Hier ist das Dach – Dort ist die Tür. Ein Haus ist ein hervorragender Container. Dabei auch noch einer, der erfüllt von Konflikt ist, nicht nur historischer Konflikt, sondern auch von einem Inneren: Isabels Repression ist an das Haus gebunden. Solange sie das Haus instand hält, es putzt und ordentlich hält, so lange kann sie Chaotisches nicht erreichen – Das Verlangen zum Beispiel, welches sie versucht vor der Tür zu halten. Dann aber erreicht all das sie doch – in Evas Gestalt.

      N DEN LETZTEN KAPITELN BEDIENST DU DICH EINER NEUEN ERZÄHLERISCHEN DIMENSION IN FORM VON EVAS TAGEBUCHEINTRÄGEN. WIESO HAST DU DICH DAZU ENTSCHIEDEN, DIE PERSPEKTIVE ZU VERÄNDERN? WIE VERÄNDERT EVAS STIMME DIE WAHRNEHMUNG IHRER BEZIEHUNG ZU ISABEL UND IHRER POSITION IN EINER KONSERVATIVEN GESELLSCHAFT?

      Ich war mir eine ganze Weile nicht einmal sicher, ob wir die Perspektive überhaupt verändern müssen/sollten! Ich wollte nicht einmal einen neuen erzählerischen Blickwinkel – so viel der Spannung lebt gerade davon, dass wir in Isabels Perspektive feststecken – genau wie Isabel im Haus und in ihrem Leben feststeckt – aber doch habe ich irgendeine Möglichkeit der Expositionsflut gebraucht. Also bin ich immer wieder verschiedenste Möglichkeiten durchgegangen: Soll es ihr eine Tante sagen? Soll Isabel in Stadtarchiven fündig werden?

      Soll sie den Freund einer Freundin finden? Jede einzelne dieser Möglichkeiten erschien mir zu unsauber und weitläufig für eine Geschichte, die Großteils recht beengt erzählt wird. Die Idee mit dem Tagebuch kam mir dann mitten im Schreibprozess, als mir auffiel, dass Eva ständig ein kleines Notizbuch mit sich herumträgt. Am Anfang habe ich noch sehr mit dieser Idee gehadert, da sie mir zu prätentiös vorkam, doch je mehr ich schrieb, desto bewusster wurde mir, dass ich, um der Story gerecht zu werden, nah am Kern der Geschichte bleiben musste – dem Haus und allem darin. Das Tagebuch stellte so für mich als Autor*in eine unglaublich befreiende Kraft dar. Was für eine Erleichterung sich nach all den Kapiteln von Isabel zu trennen; zu Eva zu werden und dabei viel meiner Recherche über die Zeit nach dem Krieg einbauen und teilen zu können. Zudem sehen wir wie witzig, gemein und brillant Eva ist. Wenn wir nun also ihre Worte durch Isabels Perspektive lesen, ahnen wir, wie sie sie verletzen oder schockieren könnten. Diese Schichtung/Verwebung und den Effekt, den sie hat, hat mir sehr gefallen. So wurde es auch zu meinem Lieblingskapitel.

      DEINE GESCHICHTE SPIELT IM JAHR 1961 UND BEHANDELT DIE NACHWEHEN DES ZWEITEN WELTKRIEGES. WARUM WAR DIESE ZEIT BESONDERS INTERESSANT FÜR DICH? WIE HALLEN DIE THEMEN DIESER ZEIT: TRAUMA, VERDRÄNGUNG UND SOZIALE NORMEN IN ISABELS UND EVAS QUEERER IDENTITÄT WIEDER?

      Es war das erste große Stück Geschichte, dass man mir beigebracht hatte – die des Krieges und was danach passierte. Es ist die Geschichte meiner Familie, warum wir hierher und dorthin gegangen sind; es ist die Geschichte der Familien meiner Freunde, meiner ganzen Gemeinschaft. Ob es Juden waren, oder nicht – die Leben der meisten Niederländer*innen wurden durch die Nachkriegszeit auf die ein- oder andere Art geformt. Als ich dann auf die Uni ging, studierte und schrieb ich über Nachkriegsnarrativen und den Anteil, den sie an Literatur haben/den Platz, den sie in der Literatur einnehmen. Es war nur logisch, dass diese Zeit die Bühne meines ersten Romans gehören sollte. Das, und Liebe. Die Liebe ist, so wie ich denke, immer noch der Hauptstar der Show; Ich denke, unser Verlangen danach zu kontrollieren, wie wir uns an geschichtliche Ereignisse erinnern, kann man darin aufgefangen sehen, wie wir unsere eigenen Leben erzählen. Sozusagen ist die Art, in der wir uns verweigern, der Geschichte ins Auge zu sehen, gleichläufig mit der Art, in der wir Verlangen und Verdrängung begegnen wollen. Beide sind Kräfte, die eine Weile ruhen können, nicht aber für immer.

      DIE ANZIEHUNG ZWISCHEN ISABEL UND EVA BLEIBT OFT UNAUSGESPROCHEN, ABER FÜHLBAR. WAR ES DIR WICHTIG EINE QUEER LIEBESGESCHICHTE ZU ERZÄHLEN, DIE NICHT DEN KLASSISCHEN ERZÄHLWEISEN FOLGT? WELCHE HERAUSFORDERUNGEN ODER ÜBERLEGUNGEN HATTEST DU BEI DER DARSTELLUNG IHRER DYNAMIK?

      Mir war es wichtig eine queere Geschichte zu erzählen, die zu mir passt, sich dabei aufregend anfühlt und mich im Würgeriff hält. Ich schätze mich sehr glücklich, den Aufschwung queerer Literatur der letzten zehn Jahren mitbekommen zu haben – ich erinnere mich an die späten 90er, in denen es fast wie eine Detektivarbeit anmutete, Bücher mit queeren Verlangen zu finden, die am Ende nicht tragisch ausgehen. Wie wunderbar anders es jetzt ist! Dennoch finde ich mich oft in der Wahl zwischen einer Coming-of-age-Story und einer traurigen literarischen Geschichte wieder. Ab und an brauche ich genau das, doch habe ich aber das Gefühl es gibt noch so viel mehr zu erzählen. So schrieb ich das, wonach ich mich sehnte: dem Verlangen selbst, Mystery, Nervenkitzel, ohne dabei diese Elemente nur von einander abhängig zu machen, sondern zu einem wichtigen Teil des Plots werden ließ.

      DEIN DEBÜT WURDE VERDIENTERMAßEN AUF DIE SHORTLISTE DES BOOKER PRIZE GESETZT – WAS BEDEUTET DIR DIESE ANERKENNUNG? HAT DIE NOMINIERUNG DAS LICHT GEÄNDERT IN DEM DU DEINE ARBEIT AN KOMMENDEN PROJEKTEN SIEHST?

      Das alles ist für mich voll und ganz surreal. Es war mein größter Traum ein gutes Buch zu schreiben. Nicht nur irgendein Buch. Ich habe vor langer Zeit gelernt, genug Worte aus mir herauszuquetschen um einen Text als Buch gelten zu lassen, nur war er da noch nicht gut. Als ich dann ein Buch vor mir hatte, von dem ich überzeugt, war es, sei gut, wurde es mein größter Traum, dass es irgendjemand liest und als es wer las war mein nächster Schritt zu überlegen wäre es nicht schön, wenn man es verlegen würde? Ich war schon immer eine fleißige Leserin der Booker Prize Listen und des Women’s Prize, pflichtbewusste Literaturstudentin, wie ich eine war und natürlich bekommt man „ausgiebige Duschträume“ davon, eines Tages selbst auf genau diesen Listen zu stehen und Interviews zu geben, in denen man einfach nur perfekt und charmant wirkt. Es ist ein enormer Schock, wenn man plötzlich in genau dieses Fantasieland katapultiert wird – es veränderte mein Leben. Manchmal weiß ich gar nicht so genau, wie ich all dies in mir unterbringen soll: die Dankbarkeit, die Freude, den Horror gesehen zu werden, das Grauen vor dem nächsten Buch und an manchen Tagen kann ich es kaum zurückhalten!

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      Willkommen bei Rainbookworld – Wo queere Geschichten zuhause sind

      Das aktuelle Bild hat keinen Alternativtext. Der Dateiname ist: LOUD-AND-PROUD-BOOKFESTIVAL.png

      Rainbookworld ist mehr als ein Name. Es ist ein Ort für Sichtbarkeit, ein Raum für queere Stimmen und ein Zusammenspiel von Projekten, die eines gemeinsam haben: die Liebe zur Literatur und die Überzeugung, dass queere Geschichten erzählt und gehört werden müssen.

      Der Buchblog

      Der Instagramblog ist das Herz von Rainbookworld. Hier geht es um queere Bücher, Rezensionen, literarische Gedanken und Autor*innenporträts. Es geht um Vielfalt, um Perspektiven, die oft übersehen werden, und um Geschichten, die berühren, empowern und herausfordern.

      Queere Lyrik unter dem Namen Robyn Skye

      Als Autor veröffentliche ich unter dem Namen Robyn Skye. In meiner Lyrik verbinde ich queere Identität mit Sprache; persönlich, poetisch, politisch. Mein neuer Gedichtband Nights & Daylight erscheint am 02. Mai 2025 und wird überall erhältlich sein. Die Texte erzählen von Selbstfindung, Neurodiversität und Queerness . Es ist eine sehr persönliche Sammlung und eigentlich ein Seelenstriptease.

      Loud and Proud Bookfestival

      Das Loud and Proud Bookfestival ist ein queeres Literaturfestival, das Raum schafft für Begegnungen, Diskussionen und gemeinsames Feiern. Queere Autor*innen stehen im Mittelpunkt, queere Geschichten werden laut. Denn Literatur ist auch eine Frage von Sichtbarkeit und Zugehörigkeit.

      Rainbookworld vereint all diese Projekte. Es ist ein Dach für queere Literatur, für kreative Arbeit mit Haltung und für Menschen, die sich in Worten wiederfinden wollen.

      Ein Ort zum Lesen, Schreiben und Existieren. Queer. Laut. Sichtbar.

      Vielleicht ist Rainbookworld irgendwann ein Verlagsname. Vielleicht wird es eine Rainbookworld Buchbox geben. Was auch immer noch kommt …. die Vision bleibt.
      Rainbookworld existiert seit knapp zehn Jahren und entwickelt sich weiter. Mit jedem Buch und jeder Idee.

      Rainbookworld wird niemals schweigen.

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      Die schönste Version – Einer der besten Romane des Jahres

      gebunden , 272 Seiten

      EAN 9783498006952

      Veröffentlicht Juli 2024

      Verlag/Hersteller Rowohlt Verlag GmbH

      Beschreibung

      Die späten Nullerjahre, frühen 2010er Jahre in einer ostdeutschen Kleinstadt: Die schönste Version erzählt die Geschichte von Jella und Yannick, von der ersten großen Liebe, die alles richtig machen will. Bis es kippt. Wieder zurück in ihrem Kinderzimmer fragt Jella sich, wie es so weit kommen konnte. Sie schaut noch einmal genauer hin: auf ihr Aufwachsen in der Lausitz. Kleinstadt und Kiesgruben, Gangsterrap und Glitzerlipgloss. Auf Freundinnen, die sie durch so vieles trugen. Und auf den Moment, in dem Yannicks Hände sich um ihren Hals schlossen. Die schönste Version ist die Geschichte eines Erwachens, Erkennens, Anklagens, eine große Introspektion: Ruth-Maria Thomas schreibt über das Frauwerden, Frausein, von Körpern, Begierden und tiefen Abgründen. Mit stilistischer Brillanz, großer Leichtigkeit und Drastik erzählt Ruth-Maria Thomas in ihrem funkelnden Debütroman von den schönsten Dingen. Und den schrecklichsten.
      «Ich bin beeindruckt – von der Intensität dieses Romans und der Hartnäckigkeit, mit der Ruth-Maria Thomas das Schicksal ihrer Heldin Jella zu ergründen sucht.» Julia Schoch (Das Liebespaar des Jahrhunderts, dtv 2023) «Ich wünschte, es hätte dieses Buch schon in meiner Nachwendejugend gegeben. Hier steckt so viel Wissen drin, was damals schmerzlich fehlte.» Hendrik Bolz (Nullerjahre, Kiwi 2022)
      «Ich hatte mir das alles anders vorgestellt: Yannick und ich hätten einfach nur in unserer schönen hellen Wohnung gelebt, viele Pflanzen, gesundes, kräftiges Grün. Es hätte für immer nach der Minze von unserem Balkon geduftet, wir hätten befreundete Pärchen gehabt, die zum Dinner zu uns gekommen wären, wir hätten Dinner gesagt, nicht Abendbrot. Lunch, Dinner, das wäre uns ganz leicht von den Lippen gegangen. Wir hätten gemeinsam Lasagne gekocht, mit Zitronenpfeffer. Unsere Gesichter wären rötlich gewesen von der Hitze der Herdplatten, dem Wein und unseren angeregten Gesprächen. Fin. Stattdessen liege ich hier in meinem alten Kinderzimmer mit pochendem Hals und einem entrückten Gefühl. Alles kaputt, nirgendwo Minze, keine Scheißlasagne.»

      Portrait

      Ruth-Maria Thomas, 1993 geboren und in Cottbus aufgewachsen, war als Sozialarbeiterin in der Jugendhilfe tätig. Sie studierte am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig und ist Mitgründerin des erotischen Literaturmagazins Hot Topic!. 2022 war sie Finalistin des Open Mike. In ihren Texten, die u.-a. im Rundfunk und in Literaturmagazinen erscheinen, beschäftigt sie sich immer wieder mit den Fallstricken weiblicher Sozialisation. Zuletzt erschien ihre Kurzgeschichte Glitzer in DAS GRAMM und wie ich frau bin bei SuKuLTuR. 

      Rezension

      Ruth-Maria Thomas präsentiert in ihrem neuen Roman „Die schönste Version“ eine der kraftvollsten Geschichten dieses Jahres, verborgen hinter einem zunächst unscheinbaren Cover.

      Inhalt
      Die Geschichte beginnt in einer Plattenbausiedlung, wo das Leben von Jella und Yannick, einem Paar, das zunehmend aus den Fugen gerät, im Mittelpunkt steht. Als Jella zur Polizei geht, nachdem Yannick sie gewürgt hat, wird deutlich, wie tief die Beziehung in die Krise geraten ist. Nach diesem Vorfall kehrt Jella in ihr Elternhaus zurück, um ihre gesamte Beziehung zu überdenken. Sie reflektiert darüber, wo Fehler gemacht wurden und wie sie zu der Person geworden ist, die sie heute ist. Vor allem aber muss sie sich eingestehen, dass Yannick eine Frau wie sie nicht verdient hat. Dennoch quält sie die Frage, ob es noch etwas gibt, das sie tun könnte, um die sterbende Beziehung zu retten.

      Charakterentwicklung und Konflikte
      Jella steht im Mittelpunkt eines inneren Konflikts, der tief berührt. Sie hat stets versucht, Yannicks Anforderungen gerecht zu werden und alles richtig zu machen. Doch schließlich erkennt sie, dass keine positive Erinnerung die erlittene Gewalt relativieren kann. Thomas beleuchtet eindrucksvoll, wie schwer es ist, sich aus einer toxischen Beziehung zu lösen, besonders wenn man über die Jahre hinweg gelernt hat, Übergriffigkeiten als normal zu akzeptieren.

      Stil und Sprache
      Der Roman ist stilistisch nüchtern und klar geschrieben, ohne in blumige Phrasen abzudriften. Ruth-Maria Thomas gelingt es, den Schmerz und die innere Zerrissenheit von Jella authentisch und eindrucksvoll darzustellen. Die Leser*innen können Jellas Gedanken und Gefühle gut nachvollziehen, da sie Beziehungen widerspiegeln, die viele Menschen in ähnlicher Weise erleben.

      Fazit
      „Die schönste Version“ ist eine emotionale Reise zu dem Punkt, an dem man erkennt, dass es kein Zurück mehr gibt – ein notwendiger, aber schwieriger Schritt. Ruth-Maria Thomas zeigt auf erschütternde Weise, wie leicht wir dazu neigen, übergriffiges Verhalten zu übersehen oder zu akzeptieren. Dieser Roman ist ein starkes Plädoyer für Selbstachtung und den Mut, sich aus schädlichen Beziehungen zu lösen. Ich freue mich darauf, in Zukunft weitere Werke von dieser vielversprechenden Autorin zu lesen.

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      Yoko oder der Autor wollte zu viel

      gebunden , 332 Seiten

      EAN 9783805201094

      Veröffentlicht August 2024

      Verlag/Hersteller Wunderlich Verlag

      Beschreibung

      Die faszinierende Geschichte einer Mörderin – hautnah und schonunglos erzählt Aichner von einer Frau, die selber nicht ahnt, wozu sie fähig ist. Yoko ist wie du und ich. Bis das Glück sie verlässt. Yoko ist Ende zwanzig, als sie die Metzgerei, die sie von ihrem Vater geerbt hat, in eine kleine Manufaktur umwandelt. Mit Hingabe verpackt sie fortan das Glück in Kekse, anstatt Schweinehälften zu zerlegen. Sie ist verliebt, ihr Leben ist erfüllt von Leichtigkeit, doch von einem Moment zum anderen zerbricht alles. Yoko liefert eine Kiste Glückskekse an ein chinesisches Restaurant aus, und als sie versucht, einem kleinen Hund im Hinterhof zu helfen, wird sie für ihre Courage von dessen Peinigern bestraft. Der Hund stirbt. Und Yokos Albtraum beginnt. Noch ahnt sie nicht, mit wem sie es zu tun hat. Wie viel Leid über sie hereinbrechen und mit welch ungeahnter Härte sie sich dafür rächen wird. Ihr wird alles genommen, was ihr lieb ist. Und deshalb schlägt Yoko zurück. Erbarmungslos.

      Portrait

      Bernhard Aichner, geboren 1972, lebt in Innsbruck und im Südburgenland. Nach seinem Germanistikstudium arbeitete er als Fotojournalist und anschließend vierzehn Jahre lang als Werbefotograf. Er schrieb mehrere Hörspiele und Romane, bis er 2014 mit seinem Thriller ‚Totenfrau‘ den internationalen Durchbruch als Autor feierte. Seine Bücher wurden in 16 Sprachen übersetzt, die ‚Totenfrau‘-Trilogie von Netflix und dem ORF verfilmt. Die zweite Staffel kommt Ende 2024.
      Mit einer Million verkauften Exemplaren zählt Aichner zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Thrillerautoren. Er hat zahlreiche Preise und Stipendien erhalten, darunter das Österreichische Staatsstipendium für Literatur, den Burgdorfer Krimipreis, den Crime Cologne Award, den Friedrich-Glauser-Preis, zuletzt den Fine Crime Award 2023 und das Wiesbadener Krimistipendium 2024.  Die ‚Times‘ beschreibt seine Arbeit als ‚originell, kraftvoll und fesselnd‘.
      Neben seinen Romanen verfasst Aichner Theaterstücke, ist Veranstalter von Österreichs größtem Krimifestival und ist auch als bildender Künstler erfolgreich.

      Rezension

      Viele Leserinnen und Leser behaupten, Aichinger schreibe besser als Strobel und Fitzek. Diese Meinung hat mich neugierig gemacht, weshalb ich seinem neuesten Thriller eine Chance geben wollte.

      **Inhalt und Protagonistin:**
      Der Thriller dreht sich um die Titelheldin Yoko, die in ihrer Vergangenheit und Gegenwart extrem grausame Dinge durchgemacht hat. Diese sind so erschreckend, dass keine Triggerwarnung ausgereicht hätte, um darauf vorzubereiten. Schon in der ersten Hälfte des Buches stellte ich mir die Frage, warum ein männlicher Autor eine weibliche Protagonistin derart leiden lässt. Yoko hat nicht nur sexuellen Missbrauch in ihrer Kindheit erlebt, sondern wird auch in der Gegenwart Opfer einer Vergewaltigung – und das, als sie versucht, einen missbrauchten Hund zu retten. Diese Taten bringen Yoko in Konflikt mit der chinesischen Mafia, und sie begibt sich auf einen brutalen Rachefeldzug gegen alle, die ihr Leid zugefügt haben oder es noch vorhaben.

      **Stil und Umsetzung:**
      Einerseits ist es erfrischend, die Wut einer Frau so ungebremst dargestellt zu sehen. Die Idee eines Revenge-Thrillers, in dem die Protagonistin keinerlei Skrupel kennt, hat durchaus ihren Reiz. Andererseits wird meiner Meinung nach jedoch zu viel auf das Trauma der Protagonistin gesetzt, um die Handlung voranzutreiben. Hier wäre eine deutliche Triggerwarnung dringend notwendig gewesen, denn selbst in einem Thriller sollte man nicht ständig mit Vergewaltigung konfrontiert werden. Ich hätte mir gewünscht, dass diese Storyline von einer Autorin erzählt worden wäre. Zudem ist die Handlung insgesamt etwas weit hergeholt und nicht besonders realistisch nachvollziehbar. Trotz der generischen Satzstruktur, die typisch für das Thrillergenre ist, liest sich das Buch allerdings recht schnell und eignet sich gut für zwischendurch.

      **Kritik und Fazit:**
      Für meinen Geschmack gibt es in diesem Thriller manchmal einfach zu viel Blut. Die Grundidee ist interessant, doch ich denke, eine Person wie Melanie Raabe hätte das Thema besser umsetzen können. Denn für Spannung braucht es nicht zwangsläufig ein Blutbad.

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      Almost isn’t enough – Wie die Interessen von BookTok einen Roman ruinieren

      kartoniert , 439 Seiten

      ISBN 3958187552

      EAN 9783958187559

      Veröffentlicht August 2024

      Verlag/Hersteller Forever

      Beschreibung

      Secrets of Ferley
      Seitdem ihr Elternhaus in Flammen aufgegangen ist, wird Summer von Albträumen geplagt. Einzig beim Kitesurfen fühlt sie sich frei. Als der mysteriöse Student Ares in ihre WG in der Kleinstadt am Meer zieht, macht er sie wahnsinnig. Doch auch vom ersten Augenblick an fühlt Summer sich zu ihm hingezogen. Nachdem Ares von ihren Albträumen erfährt, versteht er sie so gut wie niemand sonst. Denn niemand weiß, dass er ebenfalls tiefe Wunden in sich trägt. Als Summer mit Ares beginnt, die Wahrheit über den Brand ihres Elternhauses aufzudecken, stoßen sie auf eine schockierende Verwicklung in Ferley …

      Portrait

      Jennifer Bright wurde 1993 in Hannover geboren. Zusammen mit ihrem Mann und ihrer Katze lebt sie noch heute in der niedersächsischen Hauptstadt. Sie trinkt mehr Kaffee, als es gut für sie wäre, und kann sich kein Leben ohne Katzen, Bücher und Serien vorstellen. Auf Instagram (@wort_getreu) und TikTok (@jennifer.bright) teilt sie ihre Leidenschaft dazu.

      Rezension

      Dieses Buch hätte mein Jahreshighlight sein können, doch leider hat es mich am Ende enttäuscht. Aber fangen wir von vorne an: Summer musste miterleben, wie ihr Elternhaus in Flammen aufging. Niemand weiß, wer dafür verantwortlich ist. Summer weiß nur, wie viel sie in diesen wenigen, kostbaren Momenten verloren hat. Um ihren Kopf freizubekommen, widmet sie sich dem Kitesurfen. Niemand versteht sie wirklich, bis Ares in die Stadt kommt. Viele sehen in ihm den typischen Bad Boy und einen schlechten Einfluss, aber auch er trägt seine eigenen Lasten.

      Die Geschichte klingt zunächst wie ein reines Klischee in diesem Genre, und ehrlich gesagt hatte ich ähnliche Erwartungen, als ich das Buch als Ferienlektüre am Flughafen kaufte. Trotzdem habe ich es nicht bereut. Auf emotionaler Ebene ist das Buch eine Wucht. Jennifer Bright schreibt auf eine wunderbar poetische Art, die die Gefühle der Figuren intensiv zum Ausdruck bringt.

      Das große Problem des Buches ist jedoch die Erotik, die den Plot zu überlagern versucht. Die emotionale Bindung zwischen Summer und Ares entwickelt sich so schön und gefühlvoll, doch dann kommen die beiden viel zu schnell auf körperlicher Ebene zusammen. Es wirkt, als wären diese Szenen nur eingefügt worden, um das Buch in der BookTok-Community populärer zu machen. Dabei würde die Geschichte auch ohne die erotischen Szenen hervorragend funktionieren.

      Abgesehen davon habe ich kaum etwas an dem Buch auszusetzen. Die Auflösung der Geschichte war spannend und überraschend – ich bin ehrlich gesagt nicht darauf gekommen, wie sich alles entwickeln würde.

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      Die Emanzipation der Katja Oskamp – Die vorletzte Frau

      gebunden , 208 Seiten

      EAN 9783988160201

      Veröffentlicht August 2024

      Verlag/Hersteller park x ullstein

      Beschreibung

      Die Geschichte einer Frau und ihrer Liebe
      ‚Als ich Tosch begegnete, war ich dreißig, er neunundvierzig. Neunzehn Jahre betrug der Altersunterschied. Neunzehn Jahre währte auch unsere Beziehung, eine merkwürdige Übereinstimmung. Ich hatte bis fast zum Schluss das Gefühl, wir hätten uns gerade erst kennengelernt, würden aber bald, in naher Zukunft, zum Kern vordringen. Später dachte ich darüber nach, ob alles so gekommen wäre, wie es gekommen war, wenn Tosch während der neunzehn Jahre nicht krank und ich während der neunzehn Jahre nicht alt geworden wäre.‘

      Portrait

      Katja Oskamp, geboren 1970 in Leipzig, ist in Berlin aufgewachsen. Nach dem Studium der Theaterwissenschaft arbeitete sie als Dramaturgin am Volkstheater Rostock und studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Bisher wurden von ihr der Erzählungsband Halbschwimmerund die Romane Die Staubfängerin und Hellersdorfer Perle veröffentlicht. 2019 erschien bei Hanser Berlin Marzahn, mon amour, für dessen englische Ausgabe sie 2023 zusammen mit der Übersetzerin den Dublin Literary Award erhielt.

      Rezension

      Von Katja Oskamp habe ich bereits Marzahn, Mon Amour gelesen, und war daher gespannt auf ihr nächstes Werk. In diesem Roman tritt Oskamp selbst als Protagonistin auf. Sie ist mit einem Musikdirektor verheiratet, trennt sich jedoch von ihm, nachdem sie den Schriftsteller Tosch kennenlernt. Auch Tosch trennt sich von seiner Partnerin. Er ist etwa 20 Jahre älter als sie und ein bekannter Schweizer Schriftsteller, der zugleich ihr größter Förderer wird – allerdings unter strengen Bedingungen. Sie darf ihn nur zu bestimmten Zeiten anrufen, seine kreative Phase darf keinesfalls gestört werden, selbst im Urlaub nicht.

      Ich muss sagen, dass ich diese Beziehung als ziemlich toxisch empfunden habe. Doch dann kommt der Twist: Der Schriftsteller erkrankt an Prostatakrebs. Oskamp beginnt daraufhin eine Ausbildung zur Fußpflegerin, worüber wir in Marzahn, Mon Amour mehr erfahren. Ihr Ziel ist es, unabhängig von ihrem Partner zu sein und sich ein eigenes Leben aufzubauen. Sie pflegt ihren kranken Mann, kümmert sich um die gemeinsame Tochter und arbeitet nebenbei. Bekommt sie dafür die Anerkennung, die sie verdient? Natürlich nicht. Ihr Ehemann ist zudem alles andere als begeistert von ihrer neu gewonnenen Unabhängigkeit.

      Ehrlich gesagt fällt es mir schwer, diese Rezension zu schreiben, da das Buch so tabulos ist. Katja Oskamp ist ihren Weg gegangen, und doch fühlt es sich unangenehm an, so intime Einblicke in ihr Leben und das ihres Partners, der gegen den Krebs kämpft, zu erhalten. Gleichzeitig bleiben diese Einblicke jedoch oberflächlich. Ich frage mich, warum Themen wie die Krankheit, der Altersunterschied und die Reaktionen ihres Umfelds angesprochen werden, wenn sie nicht weiter vertieft werden. Wie denkt beispielsweise die Tochter über all das? Diese Fragen bleiben offen.

      Das Buch regt auf jeden Fall zum Nachdenken an – insbesondere darüber, wie wir das Altern in unserer Gesellschaft wahrnehmen. Katja Oskamp zeigt sowohl die positiven als auch die negativen Seiten einer 19-jährigen Beziehung, und das ist einer der stärksten Aspekte dieses Romans.

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      Der mexikanische Fluch – Rezension

      gebunden , 416 Seiten

      ISBN 3809027472

      EAN 9783809027478

      Veröffentlicht Oktober 2022

      Verlag/Hersteller Limes Verlag

      Übersetzer Übersetzt von Frauke Meier

      „Der mexikanische Fluch“ von Silvia Moreno-Garcia ist ein gruseliger Roman, der vor allem durch seine düstere Stimmung überzeugt. Die Geschichte spielt in den 1950er-Jahren in Mexiko. Die Hauptfigur, Noemí, reist zu einem alten, unheimlichen Herrenhaus namens High Place, weil ihre Cousine Catalina in Gefahr ist. Catalina schreibt in einem Brief, dass ihr Mann sie vergiftet.

      Das Haus und seine Umgebung sind toll beschrieben. Es ist alt, nass und wirkt fast lebendig. Die Bewohner des Hauses sind seltsam und machen einen unheimlichen Eindruck, besonders der alte Patriarch Howard Doyle und Catalinas Mann Virgil. Noemí merkt schnell, dass hier etwas nicht stimmt.

      Die gruselige Stimmung ist die größte Stärke des Buches. Man fühlt richtig, wie unheimlich und bedrückend das Haus ist. Leider passiert lange Zeit nicht viel. Der Anfang und die Mitte der Geschichte sind recht langsam, erst gegen Ende wird es wirklich spannend. Dann geht es aber so schnell, dass es fast übertrieben wirkt.

      Die Figuren haben mich nicht immer überzeugt. Noemí ist eine starke Frau, aber sie und die anderen Charaktere wirken manchmal ein bisschen flach. Ihre Handlungen und Motive sind nicht immer gut erklärt.

      Auch die Mischung aus Symbolik und verrückten Wendungen wird nicht jedem gefallen. Manche Dinge im Buch fand ich zu übertrieben, was die Wirkung ein bisschen kaputtmacht.

      Insgesamt ist „Der mexikanische Fluch“ ein Buch mit toller Atmosphäre. Wenn du gruselige Geschichten magst und Geduld für einen langsamen Anfang hast, könnte es dir gefallen. Für mich war es spannend, aber nicht perfekt.