Blogtour, Interview, Thematisch

Bunte Graue Welt – Gedankenreise Tag 2

Heute macht die Gedankenreise zu Bunte Graue Welt bei mir Halt. Normalerweise ist es nicht üblich, das der Autor bei der Tour dabei ist, doch ich möchte die Gelegenheit nutzen und mit euch über etwas Wichtiges Reden.

 

Werbung|

Ich habe auch mal Phasen in denen es mir nicht gut geht und ich einfach fertig bin und da wurde mir gesagt:“Sei nicht so depressiv Timo“. Wie viele wissen nehme ich mich dem Thema im Buch nicht direkt an, sondern rede in einem Text über graue Welt. Heute möchte ich zwei Menschen, die am Buch beteiligt sind zwei Fragen zu ihrer Erkrankung stellen. Zum einen ist das Casandra Krammer, die das Cover designt hat. Sowie Anna , die mich beim Marketing unterstützt.
Beide Menschen sind gute Freunde von mir und nun möchte ich sie mal zu Wort kommen lassen.


Timo: Wie macht sich deine Depression bei dir bemerkbar?

Cassy:

Bevor ich mich mit dem Thema Depression und auch saisonale Verstimmung auseinandergesetzt habe, stellte ich mir Depression ein bisschen wie Liebeskummer vor, man ist traurig und fühlt einen großen Schmerz.
Aus diesem Grund habe ich lange gebraucht, um zu begreifen, dass meine Symptome der Anfang einer Depression waren.

Gefühle kann man sehr gut wahrnehmen, wenn man happy ist, lächelt man, wenn man hasserfüllt ist, brodelt es, wenn man traurig ist, hat man einen Kloß im Hals. Bei der Depression verhält es sich anders. Es handelt sich hierbei nicht um ein Gefühl, sondern ein Daseinszustand, der neben Gefühlen und Emotionen lebt. Depressive Menschen können von Herzen lachen, weinen und das ganze Gefühlspektrum wahrnehmen. Unter dieser Oberfläche liegt aber eine Veränderung, die viel tiefer gräbt.
Mein erstes Symptom war eine unglaubliche Müdigkeit. Wenige Stunden nach dem Aufwachen war ich wieder erschöpft. Diese Erschöpfung war vor alledem mental.

Emails schreiben, ein Buch lesen oder einfach nur eine Konversation führen waren Herausforderrungen. Es fühlte sich so an, als wäre ich 72 Stunden wach gewesen und müsste jetzt schwere mathematische Gleichungen lösen.
Das zweite, große Symptom war tatsächlich Lustlosigkeit. Wenn ich nicht gerade in meinem kognitiven Nebel gesessen habe, wollte ich nichts machen. Ich hatte nicht einmal auf Netflix Lust.
Dazu kam, dass ich andauernd aggressiv war – ich hatte den kürzesten Geduldfaden der Welt und Kleinigkeiten haben mich so aufgeregt, dass ich vor Wut an die Decke gegangen bin.
Viel schlimmer war aber die Unzufriedenheit, meine Arbeit hat keinen spaß gemacht, ich hatte das Gefühl, dass nichts gut genug ist und über fertiggestellte Projekte konnte ich mich nicht wirklich freuen – oder sie waren mir egal.

Anna:
Zugegeben, wenn ich ehrlich bin, habe ich die Depression jahrelang ignoriert und nicht wahr haben wollen. Es fing schon in der 5. Klasse an. Da verfiel ich in Panikattacken und habe ein knappes halbes Jahr in der Schule verpasst. Fünf Jahre wurde das kaum besser. Fehlstunden waren immer im dreistelligen Bereich, beliefen sich also auf mehrere Wochen.

Das dahinter Depressionen steckten wurde mir erst später bewusst.viel später. Erst nach dem Tod meiner Tochter. Erst zu dem Zeitpunkt wo ich zu einem Psychologen musste. Da habe ich auch die Vergangenheit genauer unter die Lupe genommen.
Es äußert sich bei mir in einem Gefühl der „Versteinerung“. Ich kann mich dann nur mit Mühe bewegen und denken und funktionieren.

Timo: Angenommen du müsstest deinen Alltag in Farben erklären, wie sähe dieser aus und welche Teile wären grau?

Cassy:

Auf dem Spektrum liegt Grau in der Mitte zwischen Schwarz und Weiß, demnach würde ich sagen, dass alles was gesteuerte Routine ist, sich in dem Spektrum bewegt.

Anna:

Grau. In meiner Depression werden alle Farben grau. Wenn 50 shades of Grey real wäre, wäre es mein depressives Leben. Weiß wird hellgrau. Alles dunkle eben in einem dunkelgrauen Spektrum.

Es macht es unheimlich schwer überhaupt eine Routine zu behalten, weil alles lieblos wirkt und bedrückend ist. Stellt euch vor ihr seid in einem Labyrinth gefallen und kommt da einfach nicht raus weil der Weg sich zu ähnlich sieht.

Timo: Danke, das ihr mir diesen Einblick gewährt habe.


Morgen geht es weiter bei Gina von Zeilenfluch


Und auch wenn es nun etwas unpassend ist, aber dies ist eine Gedankenreise und somit möchte ich das ihr euch ein paar Gedanken gemacht:

„Was bedeutet „Graue Welt“ für euch.

Gewinnen könnt ihr ein Exemplar von Bunte Graue Welt gewinnen. Das Büchlein wird von mir versendet und auf Wunsch signiert (ich rate davon ab, meine Schrift ist grauenhaft).

Um Teilzunehmen solltet ihr 18 Jahre alt sein oder eine Einverständniserklärung eurer Eltern haben. Bitte beachtet, das ihr einen Wohnsitz in Deutschland haben sollt.

Eine Barauszahlung des Gewinns ist ausgeschlossen. Der Rechtsweg ist ebenfalls ausgeschlossen und ich hafte nicht für den Postweg.

Es werden alle Kommentare bis zum 5.5.2019 berücksichtigt.

Previous Post Next Post

You Might Also Like

1 Comment

  • Reply Cerulean 30. April 2019 at 15:42

    Hallo, Timo.

    Verdammt, das traf tief. Danke für diese wundervollen, schmerzhaften Gedanken der beiden Frauen, die du hier mit uns teilen durftest. Ich selbst leide auch schon eine Weile an Depression und konnte mich in jedem einzelnen Wort der beiden sofort sehen.

    Ich bin mir inzwischen sicher, habe es aber bisher kaum jemanden anvertraut, dass ich schon als Kind in der Vorschule erste Anzeichen gezeigt habe – allerspätestens in der Grundschule. Vor kurzem habe ich mich nämlich mit dem Thema „social anxiety“ auseinandergesetzt und musste feststellen, dass (fast ausnahmslos) alle Punkte auf mich als Kind zutrafen. Die (meisten) konnte ich jedoch im Laufe meines Erwachsen-werdens irgendwie ablegen. Sehr wahrscheinlich aus purer Not heraus, weil niemand mir diese Situationen abnahm und ich irgendwann zwangsweise begriff, dass es nicht so schlimm war. (Aber ich erinnere mich an die Qual, die das gekostet hat… Die Panik vorher… Das Verkriechen hinterher…)

    Ich habe nach wie vor ansteigende Panikattacken (schneller Puls, schwere Atmung, verschwommener Blick, ein überaus mächtiges Fluchtgefühl, taube Beine/zitternde Knie, ect.), in unterschiedlichen Ausprägungen, bei bestimmten sozialen Situationen oder Interaktionen. Jedoch bin ich recht glücklich inzwischen nicht mehr so viel von der puren, horror-mäßigen Angst meiner Kindheit zu verspüren.

    Meine Depression wurde dann mit 17 Jahren entdeckt und war auch eine Zeit lang wirklich schlimm. Inzwischen geht zwar besser, aber dennoch erscheinen Farben sehr trist.

    „Graue Welt“ bedeutet für mich eine Welt, die ich nur durch meinen „versteinerten“ (Ich-spüre-wenig) Zustand sehen kann. Nichts bereitet mehr richtig Freude. Man weiß zwar „ah, diese Situation sollte mir gefallen, denn eigentlich mag ich diesen Umstand ja“, aber es dringt leider nicht durch diese dicke Mauer aus Milchglas hindurch, die ich manchmal in mir spüre. Ich kann zwar Lachen, Witze reißen, auch mal richtig los lassen inzwischen, aber einige Zeit ging selbst das nicht. Und dieses Gefühl genau zu wissen, dass dieser Moment mir eigentlich gefällt und ich ihn eigentlich genießen könnte, aber es doch nicht kann, machte mich immer sehr fertig.

    „Bunte Graue Welt“ bezeichnet für mich den Fakt, dass die Welt zwar bunt ist, und man kennt die Farben und man sieht den Sonnenschein, die Blumenwiese, aber man legt einen dunklen, grauen Filter darüber und lässt es fast wie einen trostlosen Friedhof erscheinen. Man weiß es besser, aber der Filter ist nicht einfach zu entfernen. Alles fängt an gleich zu wirken, denn alles hat dieselben tristen Farben und dieselben emotionalen Umrisse für einen.

    Ich kenne es von mir, dass ich häufig eine Art verschwommene Sicht an mir wahrnehme. Es fällt mir schwer zu fokussieren, es fällt mir schwer Farben richtig aufzunehmen. Ich muss mich dann wirklich konzentrieren um den einfachen Gedanken „der Baum ist grün!“, „der Himmel ist hübsch blau!“, „die Sonne scheint angenehm auf meiner Haut!“ aktiv wahrzunehmen. Lange kann ich diese erzwungene Konzentration meisten nicht aufrecht erhalten. Das Gefühl Etwas verschwommen wahrzunehmen, obwohl die Sicht eigentlich klar ist, ist sehr irritierend und ich sehe dann immer jedes kleine Detail was negativ ist viel schärfer. Ich bezeichnete das häufig als „Farbentzug“ oder „Milchglas“.

    Das Wetter spielt dabei eine große Rolle. Bei gutem Wetter geht es mir automatisch besser, weil trotz „Farbentzug“ oder „Graufilter“ die Farben stärker wahrzunehmen sind und schwerer (unabsichtlich) auszublenden. Da kommt dann endlich auch mal etwas Sonne bei mir an 😉 Bei tristen, grauem oder gar schlechtem Wetter sieht es natürlich eher entgegengesetzt aus.

    Auch nehme ich meine Umwelt dann nicht als interaktiv wahr. Ich gehe einfach den Weg vor mir hin, nehme nicht mehr wahr was eigentlich neben mir passiert, welche Geschäfte ich passiere; ich habe dann das Gefühl wie als würde ich in einer anderen Welt leben und fälschlicherweise halb in dieser feststecken. Sodass ich weder richtig sehen, noch etwas richtig fühlen kann – einfach als wäre da eine Art Schleier drüber, den ich zu durchbrechen nicht kriege.

    Ich hoffe meine wirren Gedanken ergeben irgendwie Sinn für dich. Diese kamen mir auf jeden Fall bei den Worten „Graue Welt“ oder „Bunte Graue Welt“.

    Liebe Grüße!

  • Leave a Reply