Mareike Fallwickl steht für gute Bücher, in denen sie den Finger in die Wunde legt.
Vor kurzem durfte ich die großartige geniale Mareike Fallwickl vor ihrer Lesung in Mannheim zu einem kleinen Interview sprechen. Ihr aktueller Roman „Die Wut die bleibt“ hat nicht nur mich von den Socken gehauen, sondern auch viele andere Frauen, die von den Problemen betroffen sind, die Mareike Fallwickl eben in ihrem Roman anspricht
Timo: Beschreibe dein Buch in 3 Worten
Gut, raffiniert und Empowernd
Timo: Dein Buch beginnt recht speziell, wie bist du darauf gekommen diese Geschichte mit diesem Knall starten zu lassen.
Als wir im Februar 2021 im tiefsten Lockdown waren, habe ich fast jeden Tag Nachrichten bekommen von Freundinnen, von Frauen, die Mütter sind und geschrieben haben „Ich will nicht mehr, ich springe jetzt einfach vom Balkon“.Und, dieser hypothetische Satz hat mich auf einmal so richtig elektrisiert, was passiert, wenn eine Frau das wirklich macht, was für eine Geschichte kann, dann entstehen. So hat das alles angefangen
Timo: Warum wird man in unserer Gesellschaft nur gehört, wenn man wütend ist:
Es hängt vermutlich mit einer gewissen Lautstärke zusammen, aber ich bin mir gar nicht so sicher und ich glaube, das ist die Frage, die ich mit meinem nächsten Roman beantworten will. An dem plotte ich gerade herum und der wird gar nicht so wütend sein und trotzdem geht es um all diese Probleme, insbesondere strukturelle Ungleichheiten. Ich habe die Wut ausprobiert und jetzt schaue ich mal was geht, wenn man leise ist. (Wird bei Rowohlt erscheinen)
Timo: I’m so sick of running as fast as I can, wondering if I’d get there quicker
If I was a man – Diese Zeile sang Taylor Swift in ihrem Song „The Man“ – Wie siehst du das? Werden Männer besser behandelt für Dinge, die eigentlich Frauen tun und keine Anerkennung erhalten. Wären Frauen erfolgreicher, wenn Sie Männer wären
Ja, einerseits, ich finde es aber auch schwierig, das so zu formulieren, weil es einerseits heißt Frauen müssen sich verhalten wie Männer, um Erfolg zu haben. Es bedeutet aber eigentlich nur, dass wir alle die ganze Zeit die Strukturen reproduzieren und sie nicht verändern.
Timo: Warum bleibt Care-Arbeit in deinen Augen immer an Frauen hängen, warum macht sich nichtmal ein Mann nützlich.
Wir haben es im Moment, es wird nicht immer so bleiben, so strikt diesen Geschlechterrollen zugeordnet. Wir haben Weiblichkeit mit Care Arbeit so eng verknüpft, dass es für Männer extrem schwierig ist. Männer sind da gar nicht die schuldigen und die Bösewichte genauso in ihrer toxischen Männlichkeit gefangen und haben eine andere Art von Verantwortung. Sie wissen oft auch gar nicht, dass diese Dinge erledigt werden müssen. Männer werden ja oft auch von der Oma und der Mama abgeschirmt, seit sie klein sind. Und ihnen etwas vorzuwerfen, von dem sie gar nicht wissen, wie sie es tun, finde ich auch schwierig. Deswegen muss jede Familie individuell eine Lösung finden, aber generell sind es gesellschaftliche, stereotypische Strukturen.
Timo: Wie brechen wir diese Stereotypen deine Meinung nach
Ich setze auf die nächste Generation. Ich setze ganz konkret auf meine Kinder, die jetzt das Ganze anders vorgelebt bekommen, also die Eltern, die teilen alles 50/50. Da ist jetzt auch die ganze Woche während meiner Lesereise der Papa da und macht Essen, hilft bei den Hausaufgaben, eben alles was anfällt. Und mein Sohn sagt Sachen wie: Es gibt Arbeitgeber, die lassen die Väter nicht bei ihren Kindern zu Hause sein? Dann arbeite ich da nicht.
Ja, ich glaube es wird ganz viel über Forderungen passieren müssen, im Moment gibt der Arbeitsmarkt solche Modelle nicht her, weil er eben auch nicht muss.
Timo: Was war das schwierigste am Enstehungsprozess des Buches für dich?
[lacht] Ich weiß nicht, es gibt immer irgendwie dieses Klischee oder die Meinung Schreiben müssen immer schwer und anstrengend sein. Man müsse dabei leiden und im deutschsprachigen Raum darf man nicht Spaß haben beim Schreiben weil dann könnte es ja nichts Wert sein. Unterhaltung sei ja sowieso nichts wert. Aber ich hatte gerade total viel Spaß. Ich habe viele Tabus gebrochen. Bspw über die Körperlichkeit zu reden und über die Gewalttätigkeit im offenen Raum. Zum Beispiel was Lola und Ihre Freund*innen da machen und dann noch Sarah in diese ganze Care Arbeit Berge reinzuwerfen. Das hat soviel Spaß gemacht, weil es irgendwie alles aufbricht. In der Literatur kann ich das machen was in der Realität nicht passiert Das schwierigste war wahrscheinlich bei diesem Konzept der ersten Seite zu bleiben und das durchzusetzen, das die bestehen bleibt. Als es dann an die ersten Verlage rausging, habe ich mir gedacht, wie werden die reagieren. Aber die wollten das Buch haben, zum Glück bin ich bei meinem Konzept geblieben.
Timo: Wie ist es für dich Bloggerin und gleichzeitig Buchautorin zu sein
Ich sehe mich nicht als so wichtig, also abgesehen davon, dass ich in erster Linie zum Lesen anregen will. Das heißt meine Lieblingsbücher vorstellen, die ich geil finde und wenn ich mal was nicht so gut finde, kann ich mir nicht vorstellen, das die Kolleginnen dann sagen „Die Fallwickl hat mein Buch zerissen“ Ich bin ja nur ein Stimmchen.
Timo: Was ist dein aktuelles Lieblingsbuch
Ich bin nicht so verhaftet an den Büchern, die ich so lese. Gerade lese ich Mareike Kaiser, ich mochte Blutbuch von Kim de L’horizon weil es mich so herrausgefordert hat auf sprachlicher Ebene „Was tust du mit mir“ und das mag ich, wenn die Lektüre im Kopf Kreise zieht und Menschen beschäftigt. Es gibt so viele Bücher, die wirklich gut sind.
Hier habe ich ein paar Empfehlungen: