Timo: Wie würdest du dein Buch in drei Wörtern beschreiben?
Tom: Steh zu dir!
Timo: Ich bin neugierig: Wie war deine Recherche als es darum ging, in den Kopf der heutigen Jugend zu blicken
Tom: Ich arbeite seit Ewigkeiten mit Jugendlichen und bin immer sehr offen für alles Neue. So bekomme ich natürlich auch viel von dem mit, was „den Teenager“ so beschäftigt, verängstigt und begeistert. Meine Leidenschaft für „junge“ Musik wird ebenfalls einiges dazu beitragen, passende Stimmungen aufzufassen.
Die Anfänge der Recherche liegen jedoch bereits über dreißig Jahren zurück, da durchlebte ich meine eigene Jugend, denn es ist im Grunde erst einmal völlig egal, ob du in den Achtzigern auf der Suche nach dem ersten Sex und deiner ersten Liebe warst oder ob du es heute bist, die Gefühle sind da immer noch sehr ähnlich.
Timo: Wie lange hast du für das Buch gebraucht?
Tom: Schwer zu sagen, da es mein erstes Buch war und beim ersten Mal auch extrem viel um das Schreiben herum zu bewältigen ist. Ich schätze, komprimiert war es ca. ein Jahr, bis das Manuskript so weit war, dass ich es an meinen heutigen Agenten Bastian Schlück gesendet habe und dann kam natürlich noch die gemeinsame Arbeit mit meiner Lektorin Anna Wörner.
Timo: Wie viel von deinem Charakter steckt in Xaver?
Tom: In jeder meiner Figuren stecken Teile von mir. Xaver und ich haben vor allem gemein, dass wir gerne auch mal ein bisschen ruhiger, ernster und reflektierter sind, dann Dinge am liebsten für uns alleine im stillen Kämmerlein ausmachen und sie uns dabei auch manchmal etwas zu sehr zu Herzen nehmen.
Timo: Was war das Schwierigste am Schreiben für dich?
Tom: Zu lange Schreibpausen. Ich brauchte dann oft 2-3 Tage bis meine Stimmung und mein Stil wieder zum bisherigen Buch passten.
Timo: Wie würdest du einem Jungen dein Buch in die Hand drücken in einer Buchhandlung mit welchen Worten?
Tom: „Bock auf ein Buch aus dem echten Leben und ohne großes Betroffenheitsgedöns? Lies das und verrate mir hinterher, warum dieser Mettigel auf dem Cover so breit grinst.“
Tom: Wie kamst du zu der Idee zu deinem Buch?
Timo: Das passierte vor und während des Konzertes einer Lieblingsband. Ich wartete da inmitten vieler junger Leute auf den Hauptact, als mir zwei junge Mädchen auf die Schulter tippten und fragten: „Sorry, können wir vor dich? Wir können sonst nicht richtig sehen.“ Ich ließ sie gerne vor, meinte jedoch, dass gleich eh nichts mehr sein würde, wie jetzt. Sie begriffen meine Worte, als wir wenige Sekunden nach Konzertbeginn mitten in einem pogenden Moshpit versanken. Ihre Stimmung wechselte von Überraschung über Irritation hin zu Begeisterung und ich dachte mir, wie geil das doch ist, so ein Konzert zum ersten Mal zu erleben und dann rutschte ich knappe 30 Jahre zurück und überlegte, wie es für mich auf meinem ersten wüsten Konzert war. Und dann fragte ich mich, was all die jungen hungrigen Menschen um mich herum gerade so beschäftigt. Über was sie nachdachten, wovor sie Angst hatten, wie sie meinten, sich verbiegen zu müssen, um anderen zu gefallen und wie großartig es doch war, nun auf diesem Konzert gemeinsam extrem das Leben zu feiern. Diese Gedanken – und dann auch noch die Kombi mit der Musik – habe ich versucht, in das Buch zu packen … 🙂
Timo: Kann man Pornos und Jugendliteratur inzwischen miteinander vergleichen?
Tom: Porno ist ja eher die Reduktion auf den sichtbaren sexuellen Akt und weniger, was davor, dabei und währenddessen in deinem Schädel und mit dir passiert. In der Recherchephase für mein Buch bin ich in Jugendbüchern auf alle möglichen Darstellungen von Sexualität gestoßen. Das Spektrum reicht von Szenen, gegen die Bienen und Blüten schon Hardcore sind, bis zu wirklich expliziten Passagen, aber ob das dann Porno ist …? Das wird der Leser ganz subjektiv für sich selbst entscheiden.
Plumpen Porno finde ich im Jugendbuch ziemlich überflüssig, denn den kann sich ja jeder bei akutem Bedarf auch aus dem Internet ziehen. Läuft die Handlung des Buchs jedoch darauf hin, dass Sex die logische Konsequenz ist, dann finde ich pornöse Szenen auch sinnvoll und wichtig. Aber auch da ist die Frage, wie viel Details wirklich nötig sind. In Tick Tack F*ck habe ich eher probiert, das Kopfkino des Lesers anzukurbeln und was dann da für Bilder auftauchen … dafür kann ich ja dann nichts 😉
Timo: Wie konservativ findest du die Entscheidung, dass Produkte mit den Namen Fuck als Tabuthema gelten?
Tom: Ich finde es ziemlich scheinheilig, wenn es auf der anderen Seite völlig okay ist, dass nackte Haut für Produkte mit harmlosem Namen werben darf. Andererseits vermisse ich das Wort auch nicht bei Produktnamen. Froh bin ich jedoch, dass Arena sich entschlossen hat, meinen Titelwunsch zu übernehmen, denn mir ist einfach kein besserer Titel eingefallen. 😉
Funfact: Ich wollte bei Facebook eine Werbeanzeige für das Buch schalten, doch sie wurde abgelehnt. Wegen F*ck. Das finde ich ziemich zynisch, von den Machern einer Plattform, auf der zugleich jeder verstrahlte Vollpfosten seinen ideoligischen Müll zum besten geben kann.
Timo: Was hat sich geändert in deinen Augen zwischen der Jugend von damals und der Jugend von heute?
Tom: Ich habe den Eindruck, dass der Anteil Jugendlicher, die permanent Stress empfinden und bereits vor der Volljährigkeit das erste Mal ausbrennen, erheblich höher ist, als damals. Vielleicht, weil die Zeit vom Kindergarten bis zur Ausbildung oft extrem durchgetaktet und sehr effizienzfokussiert ist, das gilt teilweise selbst für die Hobbys.
Ich denke auch, dass man damals viel leichter rebellierend als lebender Stinkefinger durch die Straßen laufen konnte. Einfach mal ein paar Haare abrasieren oder färben, sich ein paar Ohrlöcher stechen, Springerstiefel anziehen … Eines davon reichte meist schon, und deine Lehrer drohten dir ernste Konsequenzen an, du hattest in der Bahn keinen Sitznachbarn mehr und fühltest dich verdammt verwegen. Heute scheint es mir viel schwerer, ähnliche Resonanz zu erzeugen.
In sexueller Hinsicht gab es auch einen wesentlichen Unterschied: Wenn du nackte Haut sehen wolltest, musstest du dich trauen, im Zeitschriftenhandel die böse Ecke zu besuchen, da standen oben die interessanten Hefte. Und damit du nicht als sexhungriges Monster aufgefallen bist, hast du alibimäßig die langweiligen Tuningmagazine in den unteren Regalböden durchblättert und nur zwischendurch mal einen Blick auf den nackten Busen in der oberen Reihe geworfen. Heute reicht eine Minute am Rechner und du siehst mehr, als du eigentlich wolltest.
Timo: Verschlechtert sich die Jugend eher gesagt in deinen Augen oder verbesser sie sich?
Tom: Sie verändert sich und ich kann nicht mal sagen, ob das besser oder schlechter ist. Heute ist erst einmal alles viel vernetzter, wirkt kollektiver und bietet auf den ersten Blick einen Haufen beruflicher und kultureller Möglichkeiten. Das klingt eigentlich nach guten Startbedingungen. Doch auf der anderen Seite scheint auch ein hoher Druck auf vielen Jugendlichen zu lasten. Immer mehr, so scheint mir, fühlen sich überfordert, einsam oder chancenlos abgehängt.
Timo: Worin siehst du die größten Probleme der heutigen Jugend?
Tom: Vielleicht in permanenter Erreichbarkeit, dauerhaftem im Fokusstehen und ständigem Beurteiltwerden von Leuten, die man teils gar nicht kennt?
Es scheint oft nicht mehr möglich, mal eine Weile abzutauchen oder einfach auch mal richtigen Mist bauen zu können, ohne gleich Angst zu haben, dass es der halbe Planet mitbekommt.
In der immer virtuelleren Welt sehe ich auch eine echte Herausforderung. Wem und was kann man glauben? Wie finde ich heraus, wer und was wirklich existiert? Wer meiner 1267 Freunde ist auch real für mich da und interessiert sich dafür, wie es mir geht?
Wäre ich heute jugendlich, wäre wahrscheinlich mein größtes Problem, nicht in der Onlinewelt zu versinken.
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