[Werbung, da vom Verlag bereitgestelltes E-LEX]
Von mir könnte mehr kommen.
Seit Timo mich auf Rainbookworld vorgestellt hat, habe ich kaum etwas von mir lesen lassen.
Ich fange nicht an mich dafür aufrichtig zu entschuldigen oder Besserung zu geloben, denn ich weiß, dass ich mich nicht daran halte werde. Das klingt jetzt natürlich sehr hochnäsig, aber ich habe damals als Teenie auch mal gebloggt und kenne daher meine eigene Blogger-Moral.
Warum schreibe ich aber dann heute?
Ich lese momentan nicht viel. Lieber höre ich gerade unterwegs Hörspiele oder Hörbücher.
Ich war eigentlich nie der Buchhändler, der einem dahingehend gut beraten konnte, denn es war nie so wirklich mein Terrain. Aber dies ist wirklich ein anderes Thema.
Auf ein Buch aus dem Frühjahrsprogramm war ich allerdings besonders gespannt. Es geht um „Auf einer Skala von 1 bis 10“ von der jungen Autorin Ceylan Scott. Erschienen ist das Buch im Carlsen-Imprint Chicken House Ende Mai dieses Jahres. Schon in der Vorschau hat es mich mehr als neugierig gemacht. Ich habe eine gewisse Schwäche für Bücher, die mit dem Tabu-Thema Psychische Erkrankung brechen. Nun ja, wenn wir ehrlich sind gibt es mittlerweile sehr viel zu diesem Thema, aber als Mainstream würde ich es immer noch nicht bezeichnen.
Worum handelt das Buch? Es geht um Tamar. Sie sitzt in einer Jungendpsychiatrie, denn sie denkt, dass ein Monster in ihr wohnt; dass sie abgrundtief böse sein muss. Ihre Freundin Iris ist tot und Tamar habe sie in den Tod getrieben. Es treibt Tamar in den Wahnsinn. Sie kann mit niemanden darüber reden, auch wenn ihr Kopf vor Gedanken zu bersten scheint. Abwechselnd zwischen „Jetzt“ und „Davor“ wird Tamars Geschichte geschildert. Peu à peu fügen sich alle Puzzleteile zusammen. Die Geschichte wird aus ihrer Sicht geschildert … und damit fängt quasi alles an: was mich an diesem Buch begeistert und zugleich zusammenzucken lässt.
Vorab: ich liebe dieses Buch. Es sind keine 300 Seiten, aber es hat mich ans Äußerste getrieben; die vielleicht eindringlichste Leseerfahrung, die ich bislang erlebt habe. Vor ein paar Tagen habe ich das Buch beendet und dennoch fehlen mir immer noch die Worte. Glaubt mir, es ist für mich nicht der erste Versuch eine Rezension oder einen Kommentar dazu zu verfassen…
Ceylan Scott schreibt hier nicht nur fiktiv. In ihrem Nachwort beschreibt sie, dass sie selbst psychisch erkrankt war und einige Zeit in einer Jugendpsychiatrie verbracht hat. Schreiben habe für sie eine kathartische Wirkung gehabt.
Ich glaube es ihr. Ich glaube jedes Wort, ich glaube ihr alles.
Von Anfang bis Ende ist eine Kluft zwischen dem, was passiert und das, was es ausrichten müsste. Tamar berichtet kühl, an manchen Stellen so distanziert, als sei sie nicht selbst daran beteiligt. Als Leser muss man dieses Paradoxon ertragen.
Man liest, wie Tamar über eine befahrene Autobahn läuft, als wäre es das normalste der Welt.
Man liest, wie Panikattacken Tamar packen und nicht mehr loslassen.
Man liest und wird Zeuge, wie Tamar von ihren Gedanken verschlungen wird..
Man liest und nimmt die Euphorie wahr, die aufkeimt als Tamar die Rasierklinge in die Hand nimmt.
All das wird geschildert und weitaus mehr. Ich möchte nicht spoilern und gleichzeitig will ich schreien und warnen. Ich möchte ein Schild vor mir her tragen, auf dem geschrieben steht, dass dieses Jugendbuch kein Jugendbuch ist. Dass diese Geschichte vielleicht nur Fiktion ist, aber eigentlich nicht. Dass mehr Wahrheit in diesem Roman innewohnt, als in manch einem Erfahrungsbericht, der aufgehübscht und –gebauscht in den Regalen der Lebenserfahrungen steht.
Das Buch hat mich jetzt eine Zeit beschäftigt und ich fragte mich, ob ich alleine so empfinde. – Ganz blauäugig ging auch ich nicht an die Geschichte. Zu Beginn des Buchs findet man eine Trigger-Warnung, die für meinen Geschmack ruhig etwas ausdrücklicher hätte formuliert sein dürfen. Ich las danach viele Rezensionen … ich weiß, viele Leser, die bereits dieses Buch in den Händen hatten, teilen nicht meine Leseerlebnisse.
Ich kam zu dem Schluss: niemand braucht sich zu rechtfertigen und meine Suche nach Zuspruch ist zwar menschlich, aber nicht nötig.
Jeder hat seine eigene Geschichte und manchmal trifft ein Buch oder eine Szene genau da, wo es am meisten wehtut. Das ist okay. Bei mir ist das der Fall. Ich selbst habe nicht die beste psychische Konstitution und ich kenne viele Menschen, die es ähnlich erging und ergeht.
Ich kenne viele Schicksale und viele Geschichten.
Ich lese viele Romane rund um dieses Thema. So leicht kann man mich nicht schocken. Aber dieses Buch ist anders als alle anderen, die ich davor gelesen habe…
Für all diejenigen, die überlegen, ob sie das Buch noch lesen möchten … ich kann leider keinen Titel nennen, der in meinen Augen mit „Auf einer Skala von 1 bis 10“ vergleichbar wäre.
Wenn ihr „Tote Mädchen lügen nicht“ gelesen habt – es ist kein Vergleich.
Wenn ihr „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ gelesen habt – es ist kein Vergleich.
Wenn ihr „In anderen Worten: ich“ gelesen habt – es ist kein Vergleich.
Wenn ihr „Das hier ist kein Tagebuch“ gelesen habt – es ist kein Vergleich.
Wenn ihr „Nichts“ gelesen habt – es ist kein Vergleich.
All diese Bücher (nur ein Auszug!) haben mich berührt, waren auf ihre eigene Art krass und haben mich geprägt und lange Zeit beschäftigt. „Auf einer Skala von 1 bis 10“ setzt dahingehend neue Maßstäbe.
Nach vielen Stellen in diesem Buch war ich mir unsicher, ob ich es überhaupt zu Ende lesen soll. Ich habe Tage gebraucht, habe mich Seite für Seite vorgearbeitet und es letztendlich doch beendet. Es klingt schwachsinnig, aber ich bin in der Tat etwas stolz darauf, es weitergelesen zu haben. Es ist ein Highlight im Jahr 2019 für mich. Vielleicht auch ein Highlight der letzten Lesejahre.
Wenn ihr es lesen möchtet: macht es! Niemand kann es euch verbieten. Wichtig ist nur: redet darüber mit jemanden, wenn es für euch zu beklemmend wird. Das gilt nicht nur für dieses Buch, sondern auch für alle(s) andere. Niemand ist allein.
……..
Ich bedanke mich ganz herzlich beim Carlsen Verlag für das bereitgestellte elektronische Leseexemplar.
1 Comment
Pure Werbung, keine wirkliche Rezension. Schade, denn das Thema psychologische Krankheiten ist akuter denn je, glaubt man den Warnrufen der Pundits. Besonders in Amerika. Jeder Zweite nimmt irgendwelche Aufputschmittel oder Medikamente zur Bekämpfung von Depressionen und Ängsten. Daher haben solche Romane wie ‚1 bis 10‘ auch Hochkonjunktur.
Thorsten J. Pattberg, Autor der Lehre vom Unterschied